Weil
in den USA auf HBO eine scientology-kritische Doku viel Wirbel
erzeugt, in Deutschland dies aber unbeachtet bleibt, möchte ich auch
kurz meinen Senf dazu beitragen.
Auch
ich war mal in Scientology. Meine Karriere in diesem
Wirtschaftskonzern, der unter dem Deckmantel "Religion"
nicht funktionierende "Lebenshilfen" teuer verkauft und
hörige Sklaven heranzüchtet, ist schnell beschrieben: Einstieg,
Aufstieg, Abstieg, Ausstieg. Dreizehn Jahre drin, dann folgte ein
beschwerlicher Ausstieg... Ausführlicher, also wie ich mit Lügen
reingezogen, umgedreht, permanent behavioral modifiziert wurde etc.
finden Sie auf einer meiner Websites.
Eines
vorweg, damit man den folgenden Text versteht: Als Angestellter einer
Scientology-Org gab's (und gibt's) nie Geld, selbst nicht für 80-
bis 100-Stunden-Wochen...
Im Folgenden ein Auszug aus meinem
Buch
Scientology schafft uns ab,
Kapitel
Das zweite Mal in
Kopenhagen. Ein verpfuschter Happiness Rundown. Drei Mädchen in
einem Aufzug. Ich nutze schon 11 Prozent meines geistigen Potentials:
...
Da es nie Kohle gab, meldete ich mich beim "Director of
Communications", einer überarbeitet aussehenden Frau, um
Einstein-Flyers auszutragen.1
Ich bewunderte sie: Sie bekam nie Auditing, sie war Tag und Nacht in
der Org, wie schaffte sie das nur? Ich sah sie allerdings auch nie
lachen oder in glücklichem Zustand.2 Für 1000 ausgetragene Flyer gab's, glaube ich, 10 Mark. Ich nahm
gleich 2000 Stück mit. Schon mal 2000 Stück ausgetragen? Und das in
den freien Stunden? Ich schon! Zumindest eine Stunde lang, dann
dachte ich, "die spinnen ja, da brauch ich doch endlos lange",
also steckte ich in jeden Briefkasten gleich fünf Flugblätter oder
mehr hinein, aber selbst das dauerte immer noch endlos. Also warf ich
die restlichen Flugblätter in eine Mülltonne. Ich hatte auch eine
brauchbare Rechtfertigung parat: "Da die Flyers sowieso
weggeworfen werden, kann das genauso gut ich erledigen." Doch
danach bekam ich enorme Schuldgefühle. Ich fühlte mich wie ein
Verräter. Nur einfallsreiche Rechtfertigungen, wie "Wenn ich
mal mehr Geld habe, werde ich das alles wieder gut machen"
konnten mich einigermaßen beruhigen. Das nächste Mal trug ich die
Flugblätter gewissenhaft aus. Das hielt ich etwa eine Stunde lang
durch, dann steckte ich wieder fünf oder mehr Flyers in jeden
Briefkasten. Doch den großen Rest schaffte ich nicht mehr. Ich nahm
mir vor, ihn ein andermal zu verteilen, trug ihn nach Hause und
machte mir ein paar schöne Stunden. Meine hochkommenden
Schuldgefühle verdrängte ich mit der Rechtfertigung: "Das
nächste Mal trage ich doppelt so viele Flyers doppelt so schnell
aus." Damit konnte ich leben. Vorläufig. Doch auch das nächste
Mal schaffte ich es nicht. Und auch die Male danach nicht. Nach
einiger Zeit hatten sich so viele Flyer auf dem Speicher des Hauses
einer Bekannten (auf dem ich für 100 DM pro Monat schlafen durfte)
angehäuft, dass ich für das Verteilen wahrscheinlich viele Wochen
gebraucht hätte. Frustriert bis apathisch trug ich danach überhaupt
keine Flyers mehr aus, sondern sammelte sie auf dem Speicher, während
ich fleißig jede Woche die 20 Märker kassierte. Da aber damals die
Dianetik-Bücher fast jeden Monat teurer wurden, hatte ich bald Berge
von Flugblättern, die veraltet waren. Jetzt hatte ich die
Rechtfertigung, sie nicht mehr austragen zu dürfen. Welch halb
befreites Aufatmen! Auf dem Dachboden, neben meinem Bett war viel
Platz, dort türmten sich die Tausenderstapel der veralteten
Dianetik-Handzettel. (Und als ich nach einem halben Jahr oder so auch
von dort ausziehen musste, weil ich viele Mieten im Rückstand war,
hinterließ ich riesige Stapel von Dianetik-Promo, die inzwischen wie
die Skyline von Manhattan aussahen, bedruckt mit dem ins Auge
springenden Slogan: "Wir verwenden nur 10 Prozent unseres
geistigen Potentials." Wie wahr! Ich war das beste Beispiel
dafür! Aus heutiger Sicht würde allerdings sagen, dass ich damals
mindestens schon 11 Prozent verwendet hatte, indem ich die
Flugblätter nicht austrug, aber das Geld kassierte.)
...
Seit ich Scientology völlig aufgearbeitet, also Scientology voll und ganz exorziert habe, also ein "Scientology-Clear®" bin , kann ich behaupten, dass ich jetzt schon 20 Prozent meines geistigen Potentials verwende. Kleiner Joke als Abschluss.
1 Diese Aktion wurde eingeführt, um die Buchverkaufsstatistiken nach
oben zu treiben. Nach ein paar Monaten wurde sie wieder abgeschafft.
Der "Einstein-Flyer" wirbt für das Buch Dianetik:
Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit.
Er heißt Einstein-Flyer, weil er angeblich Albert Einstein zitiert:
"Wir nutzen nur 10 Prozent unseres geistigen Potentials."
Mit Dianetik- und Scientology-Techniken könne man die restlichen 90
Prozent erlangen. Doch weder hat Einstein dies gesagt, noch stimmt
diese These. Siehe Wikipedia, Zehn-Prozent-Mythos.
2 Ein Jahr später wurde sie zu einer Unterdrückerischen Person (SP, Schwerverbrecher) erklärt und ausgeschlossen. Auf dem Schwarzen Brett konnte man über ihre vielen "Verbrechen" lesen.
2 Ein Jahr später wurde sie zu einer Unterdrückerischen Person (SP, Schwerverbrecher) erklärt und ausgeschlossen. Auf dem Schwarzen Brett konnte man über ihre vielen "Verbrechen" lesen.
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