Samstag, 11. April 2015

Das deutsche TV - Tatort-Fast-Food und Verblödungsshows

Über dieses Thema habe ich schon öfters ausführlich auf diesem Blog geschrieben: Verblödungsshows und recyceltes US-Crime-TV müllen den Bildschirm zu - nach Tausenden CSIs, Crime and Orders und Ähnlichem ist es fast unmöglich, etwas Neues zu kreieren. Das gelingt auch wieder nur in den USA, etwa mit Serien wie The Mentalist, Dexter etc. In Deutschland beherrschen wohl ein paar auf Statistiken setzende TV-Programmgestalter und GEZ-Gebühren-Verschwender die TV-Landschaft. Deshalb gibt's immer den gleichen recycelten Schrott; gibt's immer die gleichen TV-Gesichter; gibt's immer das gleiche dramaturgische Not-Know-how, dass ich mich schon seit Jahren nur mehr mit US-TV-Serien, wie Breaking Bad, Boardwalk Empire, The Americans, Orphan Black, Homeland, Justified, Shameless, Sopranos, Six Feet Under, The Good Wife, House und ähnlich gutem Schitt unterhalte, natürlich alle auf hochauflösenden DVDs oder Blu rays. Stets auf der Suche nach neuen guten Serien stieß ich jetzt auf Xanadu, eine franz. TV-Serie, die eben auf Blu ray erschien. Als ich vorm Kauf die Kritiken darüber las, war ich erstaunt, dass diese Serie schon 2011 auf ARTE lief. Und als ich dann Georg Diez' Review auf Spiegel Online las (http://v.gd/YKlwib), staunte ich, wie progressiv Der Spiegel online sein kann, muss da wohl öfters noch reinschauen. Ich zitiere aus dem Artikel, mit meinen Ansichten (in rot) dazu:
 

"S.P.O.N. - Der Kritiker: Träumen von "Xanadu"

Von Georg Diez

Das deutsche Fernsehen, vor allem das öffentlich-rechtliche, ist eine Zumutung. Wie sehr die Sender ihr Publikum für dumm verkaufen und die gesellschaftliche Spaltung vorantreiben, zeigt sich, wenn man durch Zufall im Nachtprogramm auf eine grandiose TV-Serie aus Frankreich stößt.

Wie schlecht das deutsche Fernsehen ist, hatte ich schon wieder vergessen. ... Und wenn doch, dann ist alles wie immer: Die "Tagesschau" simuliert Nachrichten und macht dabei parteienhöriges Staatsfernsehen. Die Privaten sind wenigstens konsequent in ihrem Unsinn. Ansonsten spielt alle Rollen Christiane Hörbiger (Iris Berben, Senta Berger und Co).

Ich mache es wie alle, die ich kenne. Ich warte, bis die neuen Staffeln von Homeland, The Americans, Justified oder Boardwalk Empire zu kaufen sind. Ob es die GEZ wirklich gibt, weiß ich nicht, Ulrich Deppendorf habe ich immerhin neulich auf der Straße gesehen, ansonsten halte ich die Fernsehsender für eine Verschwörung mit dem Ziel, die erwachsenen Menschen in diesem Land zu entmündigen.

Was für ein Schock ist es dann, so etwas zu sehen wie "Xanadu", die beste europäische Serie, die ich kenne. (ZDF-Ko-Produktionen mit dem dänischen TV haben einigermaßen gute Serien hervorgebracht, wie z.B. Das Verbrechen.) Seit einer Woche läuft sie auf Arte, immer samstags um, klar: 23.30 Uhr. "Xanadu" erzählt die Geschichte einer zerfallenden Familie, und dass die Serie im Pornomilieu spielt, ist nicht schlüpfrig oder spekulativ, sondern schafft eine zeitgemäße Verruchtheit, die den Brüchen in den individuellen Biografien eine größere Bedeutung verleiht. "Xanadu" ist erwachsenes Fernsehen für erwachsene Menschen, was in diesem Fall heißt, dass sie sich belügen und betrügen - aber ausnahmsweise mal, ohne dass ein Kommissar immer hinter ihnen herschnüffelt.

Narrative Scheuklappen

Denn das ist ja eine der tragikomischen Seiten der deutschen TV-Trauergeschichte: Der Mythos, dass ausgerechnet der "Tatort" die "große Ausnahme" sei; und die Tatsache, dass komplizierte soziale Realität fast ausschließlich über Morde, Polizei und Verdacht erzählt wird. Das bedeutet eine schleichende Kriminalisierung der gesellschaftlichen Reflexion, was im Grunde nichts anderes ist als eine verbürgerlichte Form der "Bild"-Dramaturgie. Das bringt nebenbei auch narrative Scheuklappen mit sich und führt dazu, dass die besten Schauspieler vor allem Stricher, Pädophile oder Leichen spielen müssen und einem die Regisseure, die man so trifft, vorjammern, dass sie überhaupt nur noch Krimis angeboten bekommen, in den Hauptrollen die ewig gleichen vier, fünf Frauen, die dem numinosen Schönheitsideal der Fernsehredakteure entsprechen.

...

ZDFisierung der Verhältnisse

Es 
ist in dieser Serie (Xanadu) eine Sinnlichkeit am Werk, die jeder deutschen Fernsehproduktion abgeht, was nichts mit dem Porno zu tun hat, fast im Gegenteil, sondern damit, dass die Bilder mehr wissen als die Figuren oder auch die Zuschauer. Dieses Fernsehen ist auf eine Art und Weise intelligent, die ganz von heute ist und all das, was wir sonst zu sehen bekommen, in den Rang der versuchten Körperverletzung rückt. Denn dass das deutsche Fernsehen so schlecht ist, ist längst kein ästhetisches oder intellektuelles Problem mehr, sondern eine gesellschaftliche Katastrophe, die einen fast physisch leiden lässt. Die Kombination von Verachtung und Feigheit, mit der die deutschen Fernsehmacher ihr Publikum betrachten, hat dabei durchaus politische Konsequenzen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen vertieft in seinem Fiktion-Bereich die gesellschaftliche Spaltung, die es in seinen Polit-Magazinen beklagt.

Es ist eine ZDFisierung der Verhältnisse, die das Land in Seher und Nichtseher teilt. Man könnte sich damit trösten, dass dieser Verdrängungsprozess ausnahmsweise die Bessergebildeten und Besserverdienenden betrifft. Aber "Xanadu" zeigt einem dann doch, was bei uns fehlt: Fernsehen ist im Grunde ein unglaublich fortschrittliches Medium.
"


Naja, damals gab's wohl noch nicht Dominik Graf's Im Angesicht des Verbrechens, das wohl Beste, was ich im deutschen TV sah. (Natürlich hab ich diese Serie jetzt auf DVD.) Ich sehe nicht TV, ich zappe nur manchmal herum, bleibe irgendwo kurz hängen, oder zieh mir den ORF1 rein, der viele gute US-Serien ausstrahlt. Manchmal auch was echt Neues, wie Vorstadtweiber, eine österreichische Serie über Frauen, die lernen, in einer Männerwelt über ihren Frauenschatten zu springen... Ich erwähne dies auch nur, weil das österreichische TV mit noch übleren Crime Series zugemüllt wird, wie SOKO Donau, SOKO Kitzbühel etc. - recycelte deutsche Tatorte, in die ich manchmal nur reinschaue, um zu lachen. Auch hier wird "komplizierte soziale Realität fast ausschließlich über Morde, Polizei und Verdacht erzählt", bloß viel seichter. Österreichisch eben.