Donnerstag, 30. Oktober 2014

As One Life Ends As Murnau, Another One Begins, But Not Necessarily in Linear Fashion

Auszug aus Kaffee mit Latte - Der Quantenf**k-Roman

Vorgeschichte:
Tabu, der Filmdreh auf Bora-Bora; gedreht wurde trotz Warnungen einheimischer Priester an heiligen Stätten; der Film scheint verflucht zu sein: ein Mann kommt um, die Kamera versinkt im Meer, das Geld wird knapp usw.; zuerst wird der fertige Film von niemandem gemocht, bis schließlich die Paramount ihn kauft und Murnau einen lukrativen Zehnjahresvertrag anbietet. Murnau bereitet sein nächstes Projekt vor, die Verfilmung des Perutz-Romanes Von neun bis neun. Jetzt ist er auf dem Weg zu einem amerikanischen Autor, der das Drehbuch schreiben soll. Murnaus beste Freundin Salka hat ihn empfohlen. Sie machten eben Halt an einer Tankstelle. Sie, das sind Murnau, sein minderjähriger Geliebter Garcia, ferner Freeland, der Chauffeur des Packard, dann noch ein Tonmensch und Pal, Murnaus Schäferhund. Murnau hatte in der Nacht davor einen Albtraum gehabt, dessen negative Gefühle noch nachhängen...

...
Die Sonne sticht herunter, der Benzingeruch benebelt meine Sinne, seit meiner Notlandung mit einem Flugzeug im letzten Krieg benebelt Benzin immer meine Sinne, lähmt mein Bewusstsein, macht es eigentümlich matt und schwindlig.

Garcia setzt sich vorne ans Steuer. Ich liebe seine Bewegungen, es sind die Bewegungen einer Katze.

"Mr. Murnau, lassen Sie mich jetzt fahren!" reißt mich Garcia aus meiner Reverie.

Warum nicht? Wo er mich doch sowieso in Deutschland als Valet und Chauffeur begleiten soll.

Deutschland, heim zur Mutter, oh wie sehr ich mich auf sie freue. Auf ihre Art, mich zu verstehen, ihre bestimmten Blicke der Zustimmung und der Liebe, ihr Gesicht, das, tief eingebrannt in mir, ich wie eine Ergänzung brauche. Meine Mutter, über ein Jahr hab ich sie nicht gesehen. In ein paar Wochen werde ich sie wieder sehen.

Eine Hellseherin hat mir in der Zeit meiner größten finanziellen Probleme prophezeit, dass ich am 5. April in Deutschland ankommen werde, allerdings auf eine andere Art, als ich es mir vorstellen sollte. Salka hat mir geraten, diesem Urteil nicht allzu viel Wert beizumessen. Tu ich für gewöhnlich auch nicht. Doch nach den unheimlichen Vorfällen im letzten Jahr bin ich etwas abergläubisch geworden.

Mr. Freeland lässt jetzt die Reifen überprüfen.

Der Tonmann hat irgendwelche Ideen zu Trompeten und Hörnern, aber ich hör ihm nur halb zu, in meinem Kopf steht die Musik längst fest, zum Teil ist sie sogar schon aufgenommen.

Ah, jetzt hat Mr. Freeland bemerkt, dass Garcia am Steuer sitzt. Ich merke, wie es ihn stört. Bin neugierig, wie er diese Situation meistern wird. Ich gebe zu, ich genieße seine Betretenheit. Als Mr. Freeland nach den Bezahlungsformalitäten zurückkommt, stelle ich mich schlafend. Ich hör ihn Garcia fragen: "Willst du etwa fahren?"

"Ja", sagt der Junge, "der Alte hat's erlaubt."

Der Alte? Na ja, wenn er nur nicht immer so von mir denkt. Aber eigentlich hat er recht. Wenn ich mich im Spiegel sehe, dann sehe ich nicht einen Zweiundvierzigjährigen auf dem Gipfel seiner Karriere, sondern einen älteren Mann, der Mund zu klein, die Augen zu sanft, das Gesicht zu weich, der Körper schlaff, ausgehöhlt von den Gezeiten der Schuldgefühle, der Heimlichkeiten und der übertretenen Tabus.

Wenn ich in den Spiegel blicke, dann erkenne ich einen dekadenten Mann, bürgerlich, verwöhnt und weit entfernt, für den Mann von der Straße zu schreiben. Genau genommen weiß ich gar nicht, wer der Mann von der Straße ist. Um ehrlich zu sein, im Innersten verachte ich sogar den einfachen Menschen als unsensibel, als ungebildet, als geistlosen Mitläufer, obwohl ich mich immer wieder in seine Niederungen begebe, um mich vom Gegenteil überzeugen zu lassen, meist vergeblich.

Wenn ich in den Spiegel blicke, dann sehe ich meine Mutter, die immer noch großen Einfluss auf mich hat. Irgendwie lässt mich ihre übergroße Liebe nicht zur Ruhe kommen. Sie darf nie von meinen erotischen Extravaganzen erfahren. Oft habe ich Schuldgefühle, ihr in die Augen zu sehen, denn sie könnte vielleicht etwas davon merken. Vielleicht erklärt das die große Macht, die sie auf mich ausübt. Salka meint, ich sollte ihr mal alles erzählen. Sie würde mich sicherlich verstehen. Vielleicht tu ich es diesmal!

Wir fahren los. Ich beobachte heimlich Garcia. Er ist voll in seinem Element, Stolz scheint ihn zu beseelen. Ein Packard! Fast scheint es mir, als ob in diesem Augenblick nicht Garcia den Packard fährt, sondern der Packard ihn.

Das Rauschen des Fahrtwindes, der mir leicht übers Gesicht streift, macht mich schläfrig. Ich schließe die Augen, ich geh auf in der Masse des wuchtigen Wagens.

Ich mag dieses Leben. Auch wenn es mich anödet. Es ödet mich an, weil ich schon lange nichts Neues mehr erlebe. Weil ich schon lange nicht mehr so intensiv lebe wie auf Bora Bora. Seit ich wieder in Hollywood bin, neige ich zu Depressionen. Könnte ich noch einmal leben, ich würde mir ein Leben mit Nervenkitzel aussuchen, mit schmaler Börse und mit leichtem Gepäck.

Irgendwie kommt mir die Geschwindigkeit, mit der wir über die schmale Landstraße schießen, doch etwas zu hoch vor: Ich öffne die Augen und blicke zu Mr. Freeland, der dahindöst, was mich vorerst mal beruhigt...

Meine Gedanken kehren wieder zu Zwischen Neun und Neun zurück. Ich überfliege in Gedanken die Bildsymbolik, die ich verwenden möchte: In der Bücherei lässt schon das Licht im Hintergrund - das große, mehrfach unterteilte Fenster wirft Schatten, die wie die Gitterstäbe eines Gefängnisses wirken - die allernächste Zukunft des Studenten ahnen. Dann die Handschellen, die der unschuldige Student nach seiner Flucht versteckt tragen muss...

Plötzlich: Ominöse Ahnungen schießen in mir hoch; ein heftiger Ruck des Wagens reißt mich in die Gegenwart; als ich die Augen öffne, rast ein Telegrafenmast auf uns zu...

Der Schock fährt mir in alle Glieder, ich bereue den Entschluss, Garcia ans Steuer gelassen zu haben. Ich bereue ihn mit unheimlicher Vehemenz. Oh, könnte ich doch alles rückgängig machen!

Ich werde aus dem Wagen geschleudert, scheine kurz zu fliegen. Ein gewaltiges Krachen, ein Blitz, ein Druck im Kopf, kein Schmerz, nur heiß und weiß und nass ist alles, ich verlier die Orientierung. Dann wird es schwarz.

Ich gehe auf einer Straße. Eine einsame Straße ist das, die Straße weint und stöhnt, als wollte sie ungeschehen machen, was geschehen ist. Etwas Unheimliches breitet sich in mir aus. Ich sehe vor mir eine Gruppe von Leuten, die sich um etwas am Boden scharen. Als ich hingehen will, merke ich, dass ich schwebe. Diese Fähigkeit erschreckt mich, genauso wie die Tatsache, dass die Körper der Leute überhaupt kein Hindernis darstellen. Und dann sehe ich ihn: Vor mir liegt ein Mann am Boden, puppenhaft hingestreckt. Erneut überkommt mich eine schreckliche Ahnung. Jetzt erkenne ich das Gesicht. Oh Gott, es ist meines!

Schock! Alles wird schwarz.

Plötzlich stehe ich wieder vor dieser kalten bleichen Schönheit mit den schwarzen Haaren, die ich ... woher kenne? Richtig! Der Traum! Träume ich immer noch? War ich nicht schon wach gewesen?

Dann wieder Schwärze.

In einem klinisch weißen Zimmer, in einer Ecke ganz oben, erwache ich und schaue runter. Da ist ein Bett, darauf ein Körper, unter einer weißen Decke. Das Gesicht ist seltsam vertraut, der Verband am Kopf irritiert mich. Dann sehe ich eine Frau, die vor dem Bett sitzt und weint. Ist das nicht Salka? Ich verstehe erst nicht, doch dann kommt's mir mit voller Wucht: Das da, im Bett, das bin ich...

Schwärze.

Jetzt sehe ich einen nackten bleichen Körper auf einem Metalltisch, stelle nüchtern fest, es ist meiner, sehe seinen geöffneten Kopf, sehe Männer in weißen Kitteln, die sich am Kopf zu schaffen machen, daran und darin herumschneiden. Sehr kalt ist hier alles, auch das Gebaren dieser Männer. "Diese hier im Gehirn eingedrungenen Knochen", sagt einer der Männer, seinen Kopf über meinem beobachtend hin- und herbewegend, "die waren wohl der Grund für den Exitus."

Nur weg hier, ist mein alles ausfüllender Gedanke!

Da: ein Schiff. Da: ein Frachtraum. Obwohl es dunkel hier ist, sehe ich sehr gut. Da: ein Sarg. Ist das ein Film? Ein Traum? Oder Wirklichkeit?

Ich erwache mitten in einem Begräbnis, seltsam vertraut sind mir die Gesichter der Trauernden...

Schwärze...

... jetzt bin ich jener Königssohn, der vor langer langer Zeit auf Mu gelebt - dort, wo später Bora Bora sein wird...

Der in tiefer Meditation die Zukunft schaut...

Der viele Tode sieht, zwingend und unausweichlich...

Denn davor war etwas so Fürchterliches geschehen, dass er sühnen muss.
... 


Mehr bald.

Blogging is boring

Ich langweile mich. Nicht wirklich. Nur wenn ich dabei sitze, einen Blog-Post zu schreiben. Boring. Kann mir nicht vorstellen, in welcher Gemütsverfassung man sein muss, um täglich zu bloggen, ganz besonders solchen Schit wie Kosmetika, Schoppen und Ähnliches... Naja, so sitze ich also vor diesen Zeilen und trinke meinen Kaffee mit Latte.
Ach ja, ich wollte doch noch etwas aus meinem Roman posten. Später. Mein Kaffee mit Latte ist alle.

Freitag, 10. Oktober 2014

BILDung macht ehrlich

Habe mich wieder beim täglichen Katzenklosäubern weitergeBILDet. Für die, die erst jetzt dazuschalten: für die geklumpte Katzenstreu brauche ich große Zeitungsblätter. Die BILD ist dafür ideal. Ich lese sie nicht, mein Nachbar schon, er gibt mir immer jene vom Vortag. Beim Katzenclosäubern dann springen mich rund um die geklumpte Streu BILDer und BILD-Überschriften an. Diesmal sind es die Blake Lively und der Ryan Reynolds: Sie sind schwanger. Die Blake habe ich in GOSSIP GIRL kennengelernt: Die erste Staffel war echt gut, dann wurde das Ding seicht. Aber in zwei exzellenten Filmen habe ich sie als Schauspielerin schätzen gelernt: in Oliver Stone's SAVAGES und in Ben Affleck's THE TOWN.
Dann springt mich der fettleibige Gerard Depardieu an, der in seiner Autobiografie folgendes "zugibt": Er war Stricher, Dieb, Grabräuber, bis er von einem Talentescout entdeckt wurde.
Ganz ehrlich:
Wen interessiert schon des Deppaden Autobio? Doch nur den Sensationshungrigen. Wer ist sensationshungrig? Nur jener Mensch ohne Selbstwertgefühl...
Auch ich muss etwas gestehen: Ich war Dieb, Stricher, Zuhälter, zusätzlich noch Dealer, Brandschatzer, Berufskiller - just kidding. Ganz ehrlich, als Zuhälter hab ich es nie geschafft, weil ich nicht wie der Depardieu andere verprügelte sondern eher verprügelt wurde. Ja, und dann lernte ich auch Drogen kennen und schätzen. Fast alles, was gut war und nicht süchtig machte: Shit (Hasch), Acid (LSD), Pilze (ich meine nicht Fuß- und Scheidenpilz); später auch süchtig machende, wie Koks und Caps (Captagon - medizinisches Speed). Das war damals. Zur Zeit von Leary, Lilly, the Beatles, den Stones, Bob Dylan, Ravi Shankar, Miles Davis, Joe Zawinul, Jazzrock, also in den Siebzigern. Natürlich hatte ich auch täglich einen Doppler (2 Liter Wein) intus, um das Leben zu verkraften. Ist jedoch alles mickrig im Vergleich zum Deppaden: Der verdrückt täglich 9 Flaschen Wein (ich wette die besten Grand Crus der besten Jahrgänge). Ja, und Talentescout hat mich auch keiner entdeckt. Dafür habe ICH was entdeckt: Yoga, Buddhismus, Quantenphilosophie, die Welt der multidemensionalen Persönlichkeit; und auch das Nichts, das die Phänomene beobachtet, ohne bewertend einzugreifen. So wurden mir Parallelwelten, vergangene Leben, Lebewesen aus anderen Dimensionen und ähnlicher Scheiß offenbart. Ich sage bewusst Scheiß, weil solche Dinge überzubewerten, wie es die Yellow Press gerne tut, überhaupt nichts bringt. Das sind alles nur Quantenphänomene.

Also, Autobiografie wollte ich keine schreiben, weil die Vergangenheit immer eine Schöpfung in der Gegenwart ist, weil jeder die Vergangenheit so ändert, damit er im besseren Licht erscheint oder sein Ego streichelt. Deshalb habe ich mich gleich für die Romanform entschieden. Die Vorteile sind klar: die Hauptperson kann distanziert und dennoch mit Zuneigung kreativ gestaltet werden; die Gefahren der Redundanz, der abgekapselten Episoden, der wechselnden Antagonisten kann ich mit dem Mixen diverser Genren ausschalten und eine zusammenhängende Gesamtkomposition schaffen.
Also, den ganzen Bullshit meiner Vergangenheit habe ich mit viel Finesse im Roman Kaffee mit Latte - Der Quantenf**k-Roman verpackt, den ich demnächst rausbringen will. In diesem Kaffee ist alles drin. Wirklich alles. Ganz ehrlich.

Das nächste Mal bringe ich wieder einen Auszug daraus, vielleicht diesmal mein Leben als Murnau. Falls dem so ist, werde ich da Einzelheiten servieren, die in keiner Biografie Murnaus stehen. Oh je, eben sind ein paar Leser abgesprungen. Recht so. Oh, eben sind eine Menge dazugekommen. Nein, in meinem Roman geht's verdammt noch mal nicht um vergangene Leben. Auch nicht um "Außerirdische". Und auch nicht ums Ficken. Wie oft denn noch? Das sind alles nur Quantenphänomene. Aber beschreiben tu ich sie trotzdem haargenau. So wie ich sie eben erlebte, hautnah und enttabuisiert...

Mir reicht's für heute, ganz ehrlich.
Denn ich merkte eben, selbst die paar Zeilen waren voll mit Ich-Dünkel und Ego-Streicheleinheiten.
Muss mal wieder meditieren.

Klingt irgendwie schräg. Ist auch so.

Ohm mani padre drum.
Just kidding.

Hurry Krisna, hurry Krisna, Krisna, Krisna, hurry Rama, hurry Rama...
Just hurry.
All right, just fucking around.

Sonntag, 5. Oktober 2014

Über den ersten missglückten Versuch, als Zuhälter ein Ich zu finden


Nach dem Arnie-Müll etwas Besseres: ein weiterer Auszug aus dem hervorragenden Quantenf**k-Roman Kaffee mit Latte; die versprochene Leseprobe übers Kotzen verschieb ich.

Die folgende Leseprobe ist der direkte Anschluss an die Kotz-Szene (sie soll zeigen, wie verkehrt die moralischen Werte sein können, wenn man als Kind permanent verprügelt und damit negativ kognitiv geprägt wird):

Die Zeit: Mai, 1968.
Der Ort: Rom.
Das Geschehen: Andre hat eben seinen ersten Freier "befriedigt", jetzt ist es später Abend...


Josefa, die spindeldürre Römerin mit den hervorstehenden Zähnen, die manch­mal in unserer Bahnhofsrunde saß, für gewöhnlich aber an anderen Orten verkehrte, riss mich aus meiner Reverie, indem sie in meinem Blickfeld auftauchte und ziel­strebig auf mich zu ging, als ob sie mich schon gesucht hätte. Ich kannte sie als ruhig und lächelnd-ausgeglichen, jetzt aber war sie aufgeregt und fahrig. Nervös nahm sie mich auf die Seite und erzählte mir, dass sie eine Frau getroffen hätte, die, entehrt und deswegen aus ihrem Dorf ausgestoßen, nun auf den Strich gehen wollte. Und ich wäre der ideale Mann, sie dabei zu beschützen, meinte sie. Natürlich müsste ich ihr, Josefa, fünfzig Prozent des Gewinns geben. 
Obwohl die Geschichte der "Entehrten" mich an billige Groschenromane erinnerte, überlegte ich nicht lange und begann zu rechnen: Wenn die Nutte mir täglich zwanzigtausend Lire ablieferte, dann war ich nach einer Woche wohlhabend, nach einem Monat reich und nach einem Jahr stinkreich. Mein Ziel von Sonne, Südseestrand und Meer begann sich am Horizont abzuzeichnen.

"Wo ist sie?"

"Gleich hier in der Nähe, in einem Cafe. Sie ist aber total betrunken."

Wir brachen sofort auf. Josefa hängte sich bei mir ein und trippelte an meiner Seite. Ich spürte ihren knochigen Körper und überlegte, wie es mit ihr im Bett wäre, denn ich wusste von ihr, dass sie ab und zu selbst auf den Strich ging.

Als wir bei dem Cafe ankamen, bekam ich ein mulmiges Gefühl in der Bauchgegend. Mit aufgesetzter Forschheit trat ich ins laute Lokal. Josefa führte mich zu einem Flipper, an dem eine Frau lehnte. Sie war jung und hübsch, aber der Alkohol machte sie hässlich: Das also war "unsere" Frau. Sie ließ immer wieder unverständliches Zeug heraus, schimpfte auf nicht vorhandene Leute und belustigte die Zuhörer, meist Männer. Bullige Männer. Jetzt bekam ich grimmiges Bauchweh, dachte an einen Rückzieher, wollte aber auch nicht mein Gesicht verlieren. Also ging ich auf sie zu, bewusst niemandem in die Augen blickend. Und bemüht, etwas Arroganz in mein Auftreten zu legen, sagte ich forsch, mit einer vom Kotzen tiefen Stimme: "Namo!" (Gehen wir!)

Das hatte sie nicht gehört. Das hatte niemand gehört. Das hatten höchstens die bulligen Männer gehört, die mich gleich auslachen würden. Also sagte ich noch forscher: "Namo!"

Dabei packte ich sie an einem Arm, Josefa nahm mehr aus Verlegenheit ihren anderen, gemeinsam führten wir sie aus der Bar. Wieder sah ich keinen an. Ich glaube, wenn ich jemandem in die Augen geblickt hätte, dann wäre ich vor Angst auf der Stelle in Ohnmacht gefallen. Die Frau hing kurz in unseren Armen, dann ließ sie sich willenlos führen. Nach etwa zwanzig Metern fing sie wieder lallend zu schimpfen an, diesmal auf mich und Josefa. Sie hatte eine Fahne von enormen Umfang, mit säuerlichem Einschlag. Ekel übermannte mich, was jedoch den aufkommenden Machtgefühlen keinen Abbruch tat. Die Macht über diese Frau stieg mir in den Kopf, steigerte schlagartig mein Selbstwertgefühl.

Ich sagte: "Tutto va bene! " (Alles geht in Ordnung!)

Sie stierte mich an und schien diesen Satz zu reflektieren, kam aber wohl nicht ganz klar damit. Ich fragte mich, ob er grammatikalisch falsch, oder ob sie völlig hinüber war.

"Tutto va bene", wiederholte ich.

Wieder dieser stiere Blick, wieder schien sie mit leicht rollenden Augen im wackelnden Kopf zu überlegen, was diese Worte wohl bedeuten mochten, bevor sie in ihrem Rausch als bloße Laute untergingen.

"Wir bringen sie zu mir", sagte Josefa.

Teilweise ihren torkelnden Schritt dirigierend, teilweise sie schleppend, waren wir noch keine fünf Minuten weit von der Bar weg, als ich plötzlich merkte, dass uns jemand gefolgt war. Es war ein Mann aus dem Cafe. Jäh bekam ich Herzklopfen und einen trockenen Mund; vielleicht hatte ich schon vorher einen trockenen Mund gehabt, nach dem vielen Kotzen, aber jetzt erst fiel er mir auf, denn die Zunge klebte am Gaumen; und während ich schluckte und schluckte, suchte ich krampfhaft nach einem Ausweg.

"Senti, wohin gehst du mit meiner Frau?"

Er ist jetzt nah. Wir bleiben stehen, ich drehe mich um, stehe vor einem kleinen Süditaliener, der zu mir hochblickt und dennoch auf mich runterschaut. Etwas weiter hinter ihm sehe ich jetzt eine zweite Figur.

"Wer sagt das?" bringe ich mit gepresster und zu hoher Stimme heiser hervor.

"Ich!"

Er ist jetzt sehr sicher. Er wächst um einige Zentimeter. Oder werde ich kleiner? Er ist mir zu nah, ich kann nicht mehr denken, nur soviel weiß ich, dass ich eben einen Punkt überschritten habe, von dem ich nicht mehr zurück kann, also stelle ich mich.

"Und wer bist du?" kommt es aus meinem Mund.

Obwohl mein Herz rast, hab ich plötzlich keine Angst mehr, alle negativen Gedanken sind einer extremen Klarheit gewichen, ich seh der Gefahr ins Auge. Die Gefahr hat einen breiten Oberkörper und kräftige Arme, das ginge ja noch, aber die Gefahr hat sich verdoppelt: Die Figur aus dem Hintergrund ist näher gekommen und starrt mich böse an.

Dann läuft alles wie in einem Film ab, den ich nicht mehr beeinflussen kann: Ich sehe, wie Josefa das torkelnde Mädchen zu einem Wagen am Straßenrand schleppt, wie der andre Mann ihr nachgeht, wie der Typ vor mir einen Kinnhaken vortäuscht, wie ich die Hände hebe und voll einen Schlag in den Bauch bekomme. Unwillkürlich krümme ich mich, kriege plötzlich keine Luft mehr, die Lungenflügel kleben zusammen, ich japse, und die Zeit steht still. Unendlich still. Jetzt erst fällt mir auf, dass es später Abend ist, ja schon fast dunkel, eine verlassene Straße, schlecht beleuchtet. Dann explodiert ein Feuerball in meinem rechten Auge, kurz folgt ein Bewusstseinsaussetzer, dann spüre ich, wie mich etwas weich am Oberkörper und dann am Kopf berührt, eine ganze Fläche ist das, die mich da trifft, und so weich ist sie auch nicht mehr, richtig hart dröhnt sie nach. Und plötzlich wundere ich mich, wieso ich stehen kann und gleichzeitig mit meiner linker Seite steinern hart auf dem Gehweg liege. Wieder explodiert etwas an meinem Kopf, weiß explodiert es, und ich gehe schlafen...

Als ich wieder zu Bewusstsein kam, hatte ich das eigenartige Gefühl, schon seit geraumer Zeit wach zu sein. Denn seit geraumer Zeit hörte ich immer wieder die gleiche Stimme: "He, werd wach, die sind weg! Aufwachen!" Weit weg war diese Stimme, sie hallte seltsam.

Ich öffnete meine Augen und sah Manfred und Bernd, den sonnengebräunten Deutschen, die sich beide zu mir herunterbückten. Im Hintergrund bemerkte ich Josefa, sie hatte ein gerötetes Gesicht und eine blutverschmierte Nase.

"Gott sei Dank! Du lebst noch! Was machst du nur für Sachen! Du kannst jetzt nicht schlapp machen, wo ich doch eine Schlafgelegenheit brauche!" sagte Bernd. Er half mir, mich aufzusetzen. Langsam sammelte ich mich. Ich sah eine schlecht beleuchtete enge, hohle Straße und übergroße Häuser, sah ein übermächtiges Rom.

Manfred sah mich besorgt an: "Ach Gott, ach Gott, diese Andre'sche, es zieht sie einfach in die Gosse!"



Fortsetzung in Kaffee mit Latte - Der Quantenf**k-Roman


When Arnie Fucks You Over

A short critique of Schwarzeneggers Sabotage to fill your time while drinking a cup of Coffee Latte.
Saw this Schwarzenegger-vehicle on Blu Ray. Felt fucked over afterwards. Seems I was not the only one who felt that way: this 35-mill-dollar-vehicle became a worldwide 19-mill-dollar box-office-bomb.
The reason: This action-, mystery-, detective-genre mix is simply badly written. First of all the writers can't decide which genre should be the main one. So we are flipped around between mystery-, detective- and action-genre, missing all the story beats and leaving you with a shitload of action scenes, with raining bullets and blood galore. In between - nothing but boredom, with close-ups of Schwarzeneggers wrinkled face. Sorry, Arnie, Stallone's face is way better wrinkled. And then your heavy Austrian accent! Instead of letting your special ops DEA team make constantly jokes about it, I see only seriousness as the general tone of the movie and unreal characters straight out of a bad graphic novel. And you are from start the good guy, who in the end turns out to be the bad guy who was only out for revenge. Arnie, you not only fucked over your special ops team but also the audience.

Here is how I would have written this piece. First of all I would have made your character shady leaving the audience always wondering about your real goals. Then I would have concentrated on the investigation by police investigator Caroline Brentwood who is uncovering bits and pieces about your past, while the Mexican cartel is decimating your OC-team. So you have 2 enemies: the investigator who you can charm and mislead, and the deadly cartel guys who you have to fight with the rest of your team in bloody action scenes. And when in the end the investigator (and the audience) knows all about your past - the cartel killed your wife and son brutally -, we understand you only wanted revenge right from start; we feel there has to be a last brutal and bloody showdown, where you kill all the bad Mexican guys, being finally deadly wounded yourself.

I would not have begun with the cheezy torture video of your wife by cartel members, and your horrible reacting to it - the audience has no connection to the woman in the video being tortured -, but what a great ending if we saw it in the end, as the primary motivator behind your fuck-you-all-over-scheming!
I would have started with you and your special ops team riding in an armoured vehicle on your way to break into a fortified cartel-villa. But instead of some bad jokes of unreal characters, among them one about someone having farted, I would have started like this:
DEA agent 1: All right, who dropped ass.
DEA agent 2: It's always the one mentioning it first.
DEA agent 1: That's a childish reasoning.
BREACHER (Schwarzenegger), in disgust opening a window, with heavy Austrian accent: OK, this one hurts. Lets ask Nose (DEA agent 4, a tracker of Red Indian origin).
NOSE sniffs like a dog.
NOSE: I smell shit...
Everybody laughs.
DEA agent 1: No shit!
Everybody laughs.
NOSE: Quiet. I need to concentrate. (sniffs:) I smell venison and...
EVERYBODY: OK, Smoke, it was you. You had venison.
NOSE, still sniffing, while everybody expresses disgust: ... and a Burgundy.
SMOKE: All right, it was me, but it wasn't Burgundy, I tried an Austrian Zweigelt. Was quite a good combination. BTW, the Austrians have a very good wine culture! Ask Breacher.
DEA agent 2: Fuck the Austrians. That Lord of the Ring was one big pile of shit, smelling like your ass.
BREACHER: Lord of the Ring was shot in New Zealand. And Austria is not Australia, you fuckhead. And now concentrate on the mission. 2 minutes to breaching. Neck, you got the sniper?

NECK (sniper), on a hill: Still searching...
BREACHER: Hurry...
We see Neck's POV: view though crosshairs, with the cartel sniper finally popping into view.
NECK: Got him...
Through the cartels snipers crosshairs we see the armoured vehicle nearing the fence highspeed.

DEA boss, from a command centre in the US: OK, Breacher, as soon as you see a good spot to breach, you tell Neck. He then takes out the shooter.
BREACHER: Lizzy come in... 

Inside the villa, wild party. Lizzy sniffing a line, then exclaiming wildly: Wow, that one did it. 
Kisses wildly a drug boss.
LIZZY, addressing BREACHER: I can't hear you.
Drug boss: What are you talking about?
LIZZY: Let's go somewhere more quiet where I can hear you...
She takes drug boss by the hand who follows her to a bedroom. 
LIZZY: Come on, I can't hear you.
Boss is about to fuck her without a condom.

Neck takes out the cartels sniper. 

Breacher crashes though fence with armoured car.

Lizzy shoots the drug boss, then jumps out the window...

DEA boss, over ear plugs: Remember, don't take any money, just blow it up!



(The shit-talk-scene would have been a good introduction, because after they break into fortified cartel-villa they are in the basement where they steal 10 mill. dollars, which they pack and flush down the stinking shit-drain after having removed the very shit-dirty toilet.  Then they blow up the rest of the money, a 100 mill., stacked high on a pallet inside the cartel-villa.  In a Freudian sense money is anal, a pile of money is shit.)

Later they wade through the stinking sewer full of shit to gather the millions, which have mysteriously disappeared...

Etc.

Thus the audience would know that Breachers mission is only to hurt one special cartel by blowing up their money, but the ops team is stealing 10 mill. for themselves and possibly getting away with it.


Instead: we see after a cheezy video of torturing some well done action sequences leaving me wondering, wtf is going on?


Later into the movie the special ops team gets slaughtered one by one, by a different cartel, who even nails one team member to the ceiling, gutting him.  The way this is filmwise executed is horror genre.

Then I was just fed up, waiting for the next action scenes with bullets raining, blood spattering.

I never had a clue what was going on.

Only when the female investigator steps in the plot comes to motion...




So, I hope, the dear reader
understands why I had to vent a little; and I assume he rode well on my train of thoughts while sipping his cup of Coffee Latte...

Since this terrible movie was Arnies baby, my advice to you, Arnie, from Austrian to Austrian: Get some knowledge of how the dramatic code works, then hire a good writer who knows the different genres and how to mix them and you will have a block buster.

Read John Truby's Anatomy of Story! It's an eye opener in many ways!


Donnerstag, 2. Oktober 2014

Das große Kotzen

Hier eine weitere Leseprobe aus Kaffee mit Latte - Der Quantenf**k-Roman, Kapitel: Wie ich sehr tief falle


Die Zeit: Mai 1968.

Der Ort: Rom.

Die Situation: Andre ist 19, ist von zuhause ausgerissen, nach Rom getrampt, um hier beim Film entdeckt zu werden. Schon nach einem Tag hat man ihm alles Geld geklaut, er fällt tief, landet in der Gosse. Mit gelegentlichen Statistenjobs hält er sich über Wasser. Er lernt die Bahnhofsclique kennen, alles Stricher. Darunter ist auch Manfred, ein schwuler Österreicher, der bei Susi Nicoletti in Wien Schauspielunterricht genommen hatte und in Rom groß rauskommen wollte. Er war sofort auf dem Strich gelandet. Als versierter Stricher konnte er die Wünsche eines jeden Mannes erfüllen. Gelegentlich ergatterte er lukrative Statistenjobs.

Ohne es zu wissen, ist Andre auch auf einer ständigen Suche nach seinem Ich, das ihm sein Vater jahrelang rausgeprügelt hatte.

Hier also beginnt der Auszug:



Manchmal traf ich Manfred, der fleißig auf den Strich ging, aber auch von einem neuen Film sprach, der bald mit Statisten besetzt werden sollte, ein Kriegsfilm, für den sie Deutsche suchten. Im übrigen sollte ich auch auf den Strich gehen, meinte er immer wieder, das brächte die tägliche Butter aufs Brot.
Obwohl ich einen enormen Ekel vor Männerberührungen empfand und mir meinen unberührten Schwanz für eine schöne Frau aufsparen wollte, hörte ich mir doch immer wieder seine Anekdoten an, teils mit Ekel, teils neugierig, bis ich mich schließlich mit der Idee des Strichs anfreunden konnte.
"Aber in den Arsch ficken lass ich mich nicht!"
"Musst du doch nicht, Gnädigste! Manche Freier wollen einfach nur daliegen und sich einen blasen lassen!" Mit solchen "Entschärfungen" wollte er mir den Mund wässrig machen.
"Aber das kann ich schon gar nicht!" Der Ekel war mir nicht nur ins Gesicht geschrieben, mein ganzer Körper schien ihn auszudrücken.
"Ich schätze, meine Andre'sche wird es auf dem Strich nicht leicht haben", beendete er eines Tages so ein Gespräch und begann mit dem "Unterricht": "Also, am wichtigsten ist, dass der potentielle Freier weiß, wer du bist! Ein Mann oder eine Frau. Am besten gibst du dich als Frau. Auch unter uns werden die Frauen am ehesten angemacht! Ich zum Beispiel bin eine Frau, also geb ich mich so, ich lächle jemand an, dann schau ich dezent weg. Ich nehme nur halbe Bissen, halbe Löffelchen, Stil, verstehst du, mein Dummerchen. Also, mach mir mal nach!"
Wir sitzen in diesem Cafe in der Nähe des Bahnhofs, rundherum ein buntes Treiben von Menschen, ein reger Verkehr auf der breiten Straße, ein Hupen und Schreien und laute Musikfetzen. Es ist Nachmittag, das Cafe ist voll, wir sitzen im Freien unter einem Sonnenschirm, die Sonne sticht, es ist brüllend heiß, Manfred hat mich auf eine Cola eingeladen, jeder Schluck treibt mir den Schweiß raus.

Manfred zeigt mir also, wie man einen Kaffee trinkt, nämlich mit leicht abgespreiztem kleinen Finger und in kleinen Schlückchen. Ich ahme ihn nach. Er korrigiert mich. Schließlich trinke ich meine Cola wie eine Tunte, aber es macht mir Spaß. Es ist eben Stil.
"Und was kann ich denn so verlangen?" will ich wissen.
"Ich verlange immer zehntausend Lire. Manche zahlen mehr, manche weniger."
"Was aber ist, wenn er das nicht zahlen will?"
"Da gibt es einen besonderen Trick: Wenn er sagt, zehntausend sind zu teuer, du aber auf jeden Fall siebentausend haben willst, dann sagst du einfach, ist OK, siebentausend oder achttausend, für weniger machst du es nicht. Und weißt du, was er macht? Er greift nach den siebentausend! Und die hast du dann sicher! Kapiert, Süße? Und mehr als zehntausend zahlt dir sowieso keiner, da musst du schon sehr gut sein. Alles klar? Also gut, wenn du jemanden kennenlernen willst, musst du in der Runde herumsehen, nur ganz leicht Blicke verstreuen!"
Er macht es vor, ich ahme ihn nach. Zuerst mechanisch, dann etwas lockerer. Plötzlich seh ich einen Mann, der mich ansieht. Er ist um die vierzig, von romanischer Bauart, hat eine eigenartige Ausstrahlung.
Manfred: "Siehst du den? Der hat jetzt bei dir angebissen!"
Ich krieg kurz einen Horror.
Manfred: "Der ist voll auf dich abgefahren! Jetzt musst du aufstehen, ihm noch einen schmachtenden Blick zuwerfen und zur nächsten Auslage schlendern. Da blickst du rein, aber nicht wirklich, du schaust nur im spiegelnden Fenster, ob er dir nachsieht! Verlange für den Anfang fünftausend Lire! Los, mach schon!"
Er drängt mich, ich habe plötzlich weiche Knie und richtig Prüfungsangst, eigentlich will ich nicht mehr, aber ich brauche das Geld. Also stehe ich auf, gehe an dem Tisch dieses Mannes vorbei, werfe ihm einen Blick zu, der schmachtend sein soll und gehe zur nächsten Auslage. Im Augenwinkel sehe ich, wie sich der Mann erhebt. Vor der Auslage warte ich, schau ins spiegelnde Glas, ob er schon hinter mir steht, aber ich sehe ihn nicht, sehe nur vorbeitreibende Menschen.
Ich drehe mich um, schau zu Manfred, will ihn mit Gesten fragen, wo denn er geblieben ist, dieser Mann, und sehe, dass er jetzt an Manfreds Tisch sitzt. Ich atme auf, das ist nochmals gut gegangen! Trotzdem bin ich auch frustriert: wieder kein Geld. Manfred verschwindet wenig später mit dem Freier.
Ich gehe in die Villa Borghese. Leider nichts los.
Ich schlender zurück zum Bahnhof. Dort treffe ich wieder Manfred, der zufrieden lächelt, an seiner Seite ein blonder Junge mit vielen Pickeln im braunen Gesicht. Er ist ein Deutscher, er heißt Bernd, er ist sehr sympathisch, er hat nichts zu schlafen, er hat kein Geld, schöne Misere, er will's hier auf dem Strich versuchen, und ob er heute bei einem von uns schlafen könnte? Bei Manfred geht's nicht, bei mir auch nicht, wegen der Signora, aber ich lass mich schließlich überreden. Also sitzen wir hier, am frühen Abend, erzählen uns Geschichten aus dem Leben und warten auf Freier. D.h.: Erzählen tun die beiden, denn ich hab scheinbar noch nichts Erzählenswertes erlebt: Ich bin weder auf dem Strich gewesen, noch hab ich es mit einer Frau getrieben, und schon gar nicht hab ich ein Auto gestohlen. Denn davon erzählt Bernd die meiste Zeit.
Manfred macht mich nach einiger Zeit auf einen Mann aufmerksam, der zu uns herüberschaut, Bernd will sofort zu ihm 'rüber, aber Manfred sagt, dass das mein Freier sei und schickt mich los. Also gehe ich zu dem Mann, schüchtern, und jegliche Gedanken an Sex mit ihm verdrängend. Ich setz mich auf den freien Stuhl. Zuerst mal Geplauder, er ist nicht unsympathisch, er ist so um die fünfzig, er heißt John, er ist amerikanischer Schauspieler deutscher Herkunft, er erzählt viel von seiner Jugend im "Schwatzwold", rezitiert "Roosla in auf der Ha ide" und "Fastgemauerrt in den Arden ste it die Fomm aus Le im gebrrrannt". Ich bewundere sein Deutsch, er bewundert mein Englisch, ich bewundere seine diversen kleinen Rollen in diversen kleinen Filmen, er bewundert mein Aussehen. Schließlich fragt er mich, ob ich mitkommen will. Ich sage ja, und hoffe, dass es schnell vorbei ist. Er verspricht mir fünftausend Lire. Ach, wenn ich die nur schon hätte!
Wir fuhren in seinem kleinen Fiat zu ihm. Ich war sehr aufgeregt, ich fühlte mich wie eine Jungfrau, oder wie ich dachte, dass sich eine Jungfrau das erste Mal fühlen müsste. Am liebsten hätte ich alles rückgängig gemacht. Aber ich wollte nicht mein Gesicht verlieren, ich musste da durch. Ich brauchte Geld.
Er hatte am Stadtrand ein kleines Apartment mit Ausblick auf eine Neubauanlage, von der untergehenden Sonne blutrot beschienen. Ach, wie schön und stimmungsvoll, meinte er, ich nickte, er bot mir eine Melone an, ich nahm an, er bot mir Parmaschinken an, ich nahm an, er bot mir eine Cola an, ich trank gierig. Ich versuchte, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Plötzlich fiel mir auf, dass ich tatsächlich extrem hungrig war und begann zu schlemmen.
Er war schon geil und wollte mit mir sofort ins Bett, aber ich aß noch einen Happen von hier, dann noch ein Bissen von dort, dann einen Becher von jenem Eis, dann wollte ich auch noch von dem Hühnchen kosten, und Fisch gab's auch, und Torte mit Schlagsahne, oh Mann oh Mann, welch eine Lust, meine Geschmackssinne zu reizen. Er warnte mich, bei dieser Hitze alles durcheinander zu essen, aber ich war ausgehungert. Mit vollem Mund wollte ich außerdem alles über ihn wissen, ohne richtig zuzuhören, nur um das Unvermeidbare hinauszuzögern.
Schließlich war ich satt, mehr als satt, und auch die Fragen waren mir ausgegangen. Er stand auf.
"Gehen wir ins Schlafzimmer!"
Wir gehen ins Schlafzimmer.
"Worauf wartest du? Zieh dich aus!"
Ich warte nicht mehr und ziehe mich aus.
"Jetzt stell dich nicht so an, leg dich hin!"
Ich stelle mich nicht so an und lege mich hin.
Auch er ist inzwischen nackt, ich schau weg, sein weißer Schwabbelkörper stößt mich ab. Er legt sich ans Bettende und küsst meine Füße, die ich schon ein paar Tage nicht mehr gewaschen habe, es kitzelt etwas, er steigert sich rein und schleckt sie gierig ab, mit Vorliebe die Zehen, es ist nicht unangenehm, es ist sogar sehr angenehm, Wärme steigt von unten her hoch. Sein braungeränderter Mund kommt jetzt hoch, aufgeregt atmet er mir ins Gesicht: Es ist heiße Jauche, übelste Jauche, mein Magen revoltiert und will großzügig seinen Inhalt hergeben. Schnell versuche ich, den Magenmuskel zu kontrollieren, enorme Anstrengung kostet das, vor allem, weil er mit noch mehr Druck erwidert. Und während ich noch überlege, wie ich auf dem schnellsten Weg zur Toilette komme, küsst mich John. Augenblicklich kotze ich ihn mit einem dicken Strahl an; begleitet von einem tiefen Gutturallaut, drückt es fast alles aus mir heraus; dunkel rinnt an ihm die braune Sauce runter, extrem stinkig, mit grauen Fischbrocken und roten Melonenstückchen darunter. Die aufgerissenen Augen in seinem vollgekotzten Gesicht drücken Entsetzen und Ekel aus, bevor er selbst laut loskotzt, bevor er mich vollschleimt, noch stinkiger, noch unerträglicher, so dass ich erneut kotzen muss, unkontrolliert, gewaltig und explosionsartig, heiß und ätzend. Ich kotze auf ihn, das Bett, das Kissen, ich kotze mit solchem Druck, dass es spritzt. Selbst als mein schmerzender Magen schon leer ist, will immer noch alles raus.
Von krampfhaften Kontraktionen geschüttelt, sehe ich, dass John Ähnliches durchmacht: Aufgestützt auf einem Arm, rutscht er sogar in dieser schleimigen Sauce aus, fällt voll rein, erneut mit lauter tiefer Stimme speiend.
Und wieder drückt's mir alles raus, ich werde richtig ausgewunden von innen, es kommt nur mehr Speichel, die Tränen rinnen mir die Wangen runter, die Säure reizt meine Luftröhre, ich huste heftig.
Nach einigen Minuten des Verschnaufens, in denen wir ab und zu, von Konvulsionen gepackt, husten oder uns räuspern, richtet sich John erschöpft auf und schüttelt den Kopf. Seine Haltung drückt nur eines aus: Raus aus all dem Ekel, weg um jeden Preis.
Wir duschten getrennt, er gab mir fünftausend Lire und sagte mir, dass es für ihn ein unvergessliches Erlebnis gewesen war. Für mich auch.
Er fuhr mich zum Bahnhof, wo die Runde inzwischen größer geworden war: Alle hörten Manfred zu, der breit aus seinem Leben erzählte. Als er mich sah, blickte er mich kurz forschend an, ich nickte, er nickte und schien zufrieden. Später fragte er mich, wie es gewesen war.
"Es war alles sehr neu", sagte ich mit einer vom vielen Kotzen sehr tiefen Stimme. Von der "Kotzorgie" wollte ich ihm später mal berichten. Er war stolz, als diesmal ich ihn auf einen Kaffee einlud. Ich lehnte mich in den Stuhl zurück und atmete auf, ich hatte wieder Geld. Ich war zufrieden. Abgesehen vom Kotzen war es mit einem Mann doch nicht so schlimm gewesen. Ich hatte eine vermeintlich hohe Hürde genommen und konnte rückblickend sagen, dass sie gar nicht so hoch gewesen war. Dieses Gefühl des bewältigten Hindernisses gab mir Sicherheit. Jetzt war ich wer, ich war zwar nur ein Stricher, aber ich fühlte so etwas wie ein Aufblühen in mir, ich fühlte das Keimen eines Ichs. Ich war stolz auf mich.

Bernd, dem ich später mal über diese Kotzorgie berichtete, kommentierte sie trocken: "Da habt ihr aber kolossal abgespritzt!"
 

So, das reichte wohl für eine Tasse Kaffee mit Latte. Zumindest ist meine leer.

Und wenn's weiterhin nichts Interessantes zum WeiterBILDen gibt, gibt's morgen noch einen Auszug aus dem hervorragenden Roman Kaffee mit Latte - Der Quantenf**k-Roman. Wieder über eine Kotzorgie, diesmal ganz anderer Natur, auf einer Party in der riesigen Nobelvilla eines Filmproduzenten, am Fuße des Vesuvs.

Oder ich schreibe über ein paar äußerst gute Serien, wie The Americans, Homeland, Breaking Bad oder Dexter. Übrigens gibt's auch (ausnahmsweise) eine ausgezeichnete Serie aus Deutschland: Im Angesicht des Verbrechens, mit Riemelt, Zehrfeld, Bäumer... Regie Dominik Graf. Die Serie ist so gut, dass sie fast nicht zu Ende produziert worden wäre. So ist das eben in Deutschland: Ihre GEZ-Gebühren fließen zu Produzenten, die nur Schrott wie Tatort produzieren. Meiner Meinung nach hat Im Angesicht des Verbrechens Qualität und Potential, mit den Sopranos verglichen zu werden.

Ach ja, und Serien, in denen Scientologen Hauptrollen spielen, meide ich, selbst wenn sie sehr gut sind. Denn diese Scientologen spenden in die Kriegskasse, aus der die Angriffe gegen Scientology-Kritiker finanziert werden. Solche Serien sind Mad Men (mit Elizabeth Moss), Orange Is the New Black (mit Laura Prepon). Ich weiß, die Scientologin Sofia Milos spielt auch in den Sopranos, aber ihre Rolle ist so klein, dass sie nicht ins Gewicht fällt. (Sie spielt übrigens sehr gut.)

Mittwoch, 1. Oktober 2014

Die tägliche BILDung

Ich BILDe mich täglich weiter. Zwar lese ich die BILD nicht, ich bekomme die alte, vom Tag vorher, vom Nachbarn, fürs Katzenclosäubern, weil die großen BILD-Seiten ideal sind für das Einpacken der geklumpte Katzenstreu. Und während ich den geklumpten Katzenurin auf die großen BILD-Seiten schaufle, springen mich die BILDer an rund um die geklumpte Streu, dazu die BILD-Überschriften. Inzwischen bin ich schon ganz schön geBILDet. Nicht, dass ich mir darauf was einBLIDe, aber BILDung ist wichtig, damit jeder Tag ausgefüllt ist mit dem Leben der Anderen. So weiß ich, dass der Schweini eine Neue hat. Ich wusste gar nicht, dass er eine alte hatte. Geil sieht sie aus, die Neue. Ein Tenniswunder soll sie sein. Und auch noch gebildet. Zumindest schreibt das die BILD, indem sie die Neue mit der alten vergleicht. Ein paar Tage später lese ich, dass der Schweini sich mit dem Schweiger in Schwabing traf. War ganz wichtig für mich, konnte meinem Leben wieder Sinn verleihen, zumindest an diesem Tag. Dann las ich, dass auch der Schweiger eine Neue hat. Von dem wusste ich, dass er eine alte hatte. Als ich über die beiden Schweigers vor Jahren irgendwo darüber las oder was über sie sah - man wird ja praktisch täglich überschwemmt mit Promi-Müll -, da wunderte ich mich, dass der Schweiger noch bei seiner Alten ist, wo er doch auf jedem Filmset so viel zum Naschen sieht und trifft. Im Bett wäre er eine Granate, prangte damals groß als BILD-Werbung von allen Plakatwänden. Das habe ich übrigens mit dem Schweiger gemeinsam: Auch ich bin im Bett eine Granate: 3 - 2 - 1 - Wumm. Inzwischen, im fortgeschrittenen Alter, bin ich bisweilen zum Spätzünder geworden, oder wenn Sie so wollen, eine Fliegerbombe aus dem 2. Weltkrieg, die erst nach geraumer Zeit mit einem entsetzlichen Knall hochgeht. OK, der Vergleich hinkt etwas, weil man die meisten dieser Bomben entschärfen kann. Und entschärfen lasse ich mich nicht.
Wo, war ich? Ach ja, beim Schweiger. Lieber Til, ich fand dein Spiel schon immer etwas gewöhnungsbedürftig: Erst mal muss ich deine Filme immer mit Untertitel sehen, weil ich deine schlecht artikulierte Sprache oft nicht verstehe. Ich denke dann jedes Mal, es ist bloß deine Ausstrahlung, die dich hochkaltapultiert hat. Ansonsten denke ich, dass du einen Logopäden nötig hast. Oder ist es ein Orthopäde? Weiß nicht, muss mal im Internät nachkuggen. Sah Keinohrhasen. Fand ihn ganz amüsant und gut, für deutsche Ansprüche. Die Fortsetzung war jedoch so was von übel, dass ich mich ein wenig darüber auslassen muss: Verschiedene Humorarten werden hier willkürlich gemixt. Mit einem Schuss Fäkalhumor vom Ekeligsten... Der Anfang: Der Schweiger und die Tschirner leben schon ein Jahr oder so in einer großen Wohnung im teuren Berlin. Der Schweiger kommt mit dreckigen Bergschuhen nach Hause und stellt sie auf den Küchentisch. Right, das machen alle Männer so: dreckige Schuhe auf den Küchentisch. Ferner verstaute er über Wochen hin alle leeren Plastikflaschen in einem Schrank, lügt die Tschirner an, dass er sie entsorgt hätte. Die Tschirner öffnet den Schrank und wird von Hunderten Plastikflaschen zugemüllt. Das sind die Probleme in dieser Beziehung. Ich hatte den Eindruck, dass Millionäre diesen Müll geschrieben haben, die nicht wirklich wissen, welche Probleme junge Leute in einer Großwohnung in Berlin haben. Und so ist es auch. Jetzt noch die Fäkalhumorszene: Der Schweigerhöfer verbringt den Tag in der Wohnung einer Frau, die er nicht verlassen darf (die Wohnung). Hier funktioniert an diesem Tag das Clo nicht (Wasser gesperrt, oder so ähnlich). Natürlich muss er just jetzt seinen Darm entlehren. Folge: Clo voll. Was macht er? Er nimmt den Staubsauger (!) und saugt die Kacke ab. Selten so gelacht. Dann verpackt der Schweigerhöfer die Kacke in einem Plastikbeutel und stellt sie auf den Tisch - wo auch sonst hin? Selten so gelacht. Natürlich ruft er auch seinen Buddy Schweiger, ihm aus einer Misere zu helfen, ich glaube, er hat sich aus der fremden Wohnung ausgesperrt. Gemeinsam schaffen sie es, dank der großartigen Autoren Schweiger und Co, auf dem Dach zu landen, abzurutschen, an der TV-Antenne sich zu halten, die losreißt, der Schweiger fällt gleich völlig vom Dach und ein paar Stockwerke in die Tiefe, wo er glücklicherweise in einen Obst- und Gemüsestand landet. Unverletzt natürlich. Der Schweigerhöfer baumelt am Kabel, und schwingt durchs geschlossene Fenster in die Wohnung, das Fenster zertrümmernd (später würde er seiner Freundin sagen, eine Taube wäre durchs Fenster geflogen, und er hätte sie in dem Plastikbeutel verpackt, in dem seine Kacke verpackt ist, selten so gelacht). Nachdem ich mich durch diesen Müll 2 Stunden lang hindurchgequält hatte, hab ich ihn sofort in einem Videoladen verkauft. Ich hab die DVD sehr günstig als Einführungsangebot gekauft, und weil völlig neu, bekam ich genauso viel wieder ausbezahlt.
Wo war ich? Richtig, beim Katzenclo. Gestern wurde ich geBILDet, dass die Bundestagsabgeordneten, die wichtige Entscheidungen treffen müssen, gar nicht bei der Sache sind. Ganz was Neues. Einer zieht sich die Nackten vom Playboy aufs Smartphone, ein anderer spielt Sudoku etc. Und dafür kassieren sie - wieviel? Genug, um mehrere Familien zu ernähren. Und jetzt holt auch noch König Seehofer den adeligen Betrüger Guttenberg zurück in die Politik. Was sich der Guttenberg wohl auf sein Smartphone runterholt? Möglicherweise die Anleitung zu: Wie hole ich mir einen Doktortitel ohne erwischt zu werden, in 10 einfachen Schritten. Erster Schritt: Wie kann ich einen semantischen Fingerabdruck verwischen? (Diese Anleitung ist übrigens von einem Dr. s.c., einem Doktor sine causa.)
Diese BILDung vervollständigt das BILD vom statistisch gemessenen durchschnittlichen Politiker: immer ehrlich, niemals geldgeil, überhaupt nicht machthungrig, fleißig, und, wenn's um die Wahlen geht, besonders vertrauenswürdig. Natürlich glauben wir dem armen Politiker im Bundestag, dass ihm die Playboy-Nackte aufs Handy gerutscht ist, dass dem Guttenberg die Plagiate so nebenbei unabsichtlich passiert wären, dass der Meth-Konsum eines weiteren Politikers ein einmaliger Ausrutscher gewesen wäre usw. usf.
Heute BILDet mich die BILD mit der wichtigen Info, dass der Kardinal Marx mehr Hilfe für die Flüchtlinge fordert. Der Kardinal: dickes Gesicht, erhobene Wurstfinger, im Prunkgewand, Vertreter einer milliardenschweren Kirche. Ironischerweise heißt er auch noch Marx.
So, das war's für heute, meine Kaffeetasse ist leer, ich freu mich schon aufs nächste Katzenclosäubern. Katzenclo macht nicht nur Kinder froh.

Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Kaffee mit Latte - Der Quantenf**k-Roman ist das Beste, was es zur Zeit auf dem Buchmarkt nicht gibt. Vom einem ausgezeichneten Autor, das kann ich bezeugen. Morgen gibt's einen Auszug, der wird so ekelig und komisch sein, dass er Feuchtgebiete trocken erscheinen lassen wird. So viel vorweg: Es wird ums große Kotzen gehen.