Über dieses Thema habe ich schon öfters ausführlich auf diesem Blog geschrieben: Verblödungsshows und recyceltes US-Crime-TV müllen den Bildschirm zu - nach Tausenden CSIs, Crime and Orders und Ähnlichem ist es fast unmöglich, etwas Neues zu kreieren. Das gelingt auch wieder nur in den USA, etwa mit Serien wie The Mentalist, Dexter etc. In Deutschland beherrschen wohl ein paar auf Statistiken setzende TV-Programmgestalter und GEZ-Gebühren-Verschwender die TV-Landschaft. Deshalb gibt's immer den gleichen recycelten Schrott; gibt's immer die gleichen TV-Gesichter; gibt's immer das gleiche dramaturgische Not-Know-how, dass ich mich schon seit Jahren nur mehr mit US-TV-Serien, wie Breaking Bad, Boardwalk Empire, The Americans, Orphan Black, Homeland, Justified, Shameless, Sopranos, Six Feet Under, The Good Wife, House und ähnlich gutem Schitt unterhalte, natürlich alle auf hochauflösenden DVDs oder Blu rays. Stets auf der Suche nach neuen guten Serien stieß ich jetzt auf Xanadu, eine franz. TV-Serie, die eben auf Blu ray erschien. Als ich vorm Kauf die Kritiken darüber las, war ich erstaunt, dass diese Serie schon 2011 auf ARTE lief. Und als ich dann Georg Diez' Review auf Spiegel Online las (http://v.gd/YKlwib), staunte ich, wie progressiv Der Spiegel online sein kann, muss da wohl öfters noch reinschauen. Ich zitiere aus dem Artikel, mit meinen Ansichten (in rot) dazu:
"S.P.O.N. - Der Kritiker: Träumen von "Xanadu"
Von Georg Diez
Das deutsche Fernsehen, vor allem das öffentlich-rechtliche, ist eine Zumutung. Wie sehr die Sender ihr Publikum für dumm verkaufen und die gesellschaftliche Spaltung vorantreiben, zeigt sich, wenn man durch Zufall im Nachtprogramm auf eine grandiose TV-Serie aus Frankreich stößt.
Wie schlecht das deutsche Fernsehen ist, hatte ich schon wieder vergessen. ... Und wenn doch, dann ist alles wie immer: Die "Tagesschau" simuliert Nachrichten und macht dabei parteienhöriges Staatsfernsehen. Die Privaten sind wenigstens konsequent in ihrem Unsinn. Ansonsten spielt alle Rollen Christiane Hörbiger (Iris Berben, Senta Berger und Co).
Ich mache es wie alle, die ich kenne. Ich warte, bis die neuen Staffeln von Homeland, The Americans, Justified oder Boardwalk Empire zu kaufen sind. Ob es die GEZ wirklich gibt, weiß ich nicht, Ulrich Deppendorf habe ich immerhin neulich auf der Straße gesehen, ansonsten halte ich die Fernsehsender für eine Verschwörung mit dem Ziel, die erwachsenen Menschen in diesem Land zu entmündigen.
Was für ein Schock ist es dann, so etwas zu sehen wie "Xanadu", die beste europäische Serie, die ich kenne. (ZDF-Ko-Produktionen mit dem dänischen TV haben einigermaßen gute Serien hervorgebracht, wie z.B. Das Verbrechen.) Seit einer Woche läuft sie auf Arte, immer samstags um, klar: 23.30 Uhr. "Xanadu" erzählt die Geschichte einer zerfallenden Familie, und dass die Serie im Pornomilieu spielt, ist nicht schlüpfrig oder spekulativ, sondern schafft eine zeitgemäße Verruchtheit, die den Brüchen in den individuellen Biografien eine größere Bedeutung verleiht. "Xanadu" ist erwachsenes Fernsehen für erwachsene Menschen, was in diesem Fall heißt, dass sie sich belügen und betrügen - aber ausnahmsweise mal, ohne dass ein Kommissar immer hinter ihnen herschnüffelt.
Narrative Scheuklappen
Denn das ist ja eine der tragikomischen Seiten der deutschen TV-Trauergeschichte: Der Mythos, dass ausgerechnet der "Tatort" die "große Ausnahme" sei; und die Tatsache, dass komplizierte soziale Realität fast ausschließlich über Morde, Polizei und Verdacht erzählt wird. Das bedeutet eine schleichende Kriminalisierung der gesellschaftlichen Reflexion, was im Grunde nichts anderes ist als eine verbürgerlichte Form der "Bild"-Dramaturgie. Das bringt nebenbei auch narrative Scheuklappen mit sich und führt dazu, dass die besten Schauspieler vor allem Stricher, Pädophile oder Leichen spielen müssen und einem die Regisseure, die man so trifft, vorjammern, dass sie überhaupt nur noch Krimis angeboten bekommen, in den Hauptrollen die ewig gleichen vier, fünf Frauen, die dem numinosen Schönheitsideal der Fernsehredakteure entsprechen.
...
ZDFisierung der Verhältnisse
Es ist in dieser Serie (Xanadu) eine Sinnlichkeit am Werk, die jeder deutschen Fernsehproduktion abgeht, was nichts mit dem Porno zu tun hat, fast im Gegenteil, sondern damit, dass die Bilder mehr wissen als die Figuren oder auch die Zuschauer. Dieses Fernsehen ist auf eine Art und Weise intelligent, die ganz von heute ist und all das, was wir sonst zu sehen bekommen, in den Rang der versuchten Körperverletzung rückt. Denn dass das deutsche Fernsehen so schlecht ist, ist längst kein ästhetisches oder intellektuelles Problem mehr, sondern eine gesellschaftliche Katastrophe, die einen fast physisch leiden lässt. Die Kombination von Verachtung und Feigheit, mit der die deutschen Fernsehmacher ihr Publikum betrachten, hat dabei durchaus politische Konsequenzen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen vertieft in seinem Fiktion-Bereich die gesellschaftliche Spaltung, die es in seinen Polit-Magazinen beklagt.
Es ist eine ZDFisierung der Verhältnisse, die das Land in Seher und Nichtseher teilt. Man könnte sich damit trösten, dass dieser Verdrängungsprozess ausnahmsweise die Bessergebildeten und Besserverdienenden betrifft. Aber "Xanadu" zeigt einem dann doch, was bei uns fehlt: Fernsehen ist im Grunde ein unglaublich fortschrittliches Medium."
Naja, damals gab's wohl noch nicht Dominik Graf's Im Angesicht des Verbrechens, das wohl Beste, was ich im deutschen TV sah. (Natürlich hab ich diese Serie jetzt auf DVD.) Ich sehe nicht TV, ich zappe nur manchmal herum, bleibe irgendwo kurz hängen, oder zieh mir den ORF1 rein, der viele gute US-Serien ausstrahlt. Manchmal auch was echt Neues, wie Vorstadtweiber, eine österreichische Serie über Frauen, die lernen, in einer Männerwelt über ihren Frauenschatten zu springen... Ich erwähne dies auch nur, weil das österreichische TV mit noch übleren Crime Series zugemüllt wird, wie SOKO Donau, SOKO Kitzbühel etc. - recycelte deutsche Tatorte, in die ich manchmal nur reinschaue, um zu lachen. Auch hier wird "komplizierte soziale Realität fast ausschließlich über Morde, Polizei und Verdacht erzählt", bloß viel seichter. Österreichisch eben.
Samstag, 11. April 2015
Sonntag, 5. April 2015
Ich nutze 20 Prozent meines geistigen Potentials, seit ich den Scientology-Konzern verließ
Weil
in den USA auf HBO eine scientology-kritische Doku viel Wirbel
erzeugt, in Deutschland dies aber unbeachtet bleibt, möchte ich auch
kurz meinen Senf dazu beitragen.
Auch
ich war mal in Scientology. Meine Karriere in diesem
Wirtschaftskonzern, der unter dem Deckmantel "Religion"
nicht funktionierende "Lebenshilfen" teuer verkauft und
hörige Sklaven heranzüchtet, ist schnell beschrieben: Einstieg,
Aufstieg, Abstieg, Ausstieg. Dreizehn Jahre drin, dann folgte ein
beschwerlicher Ausstieg... Ausführlicher, also wie ich mit Lügen
reingezogen, umgedreht, permanent behavioral modifiziert wurde etc.
finden Sie auf einer meiner Websites.
Eines
vorweg, damit man den folgenden Text versteht: Als Angestellter einer
Scientology-Org gab's (und gibt's) nie Geld, selbst nicht für 80-
bis 100-Stunden-Wochen...
Im Folgenden ein Auszug aus meinem
Buch
Scientology schafft uns ab,
Kapitel
Das zweite Mal in
Kopenhagen. Ein verpfuschter Happiness Rundown. Drei Mädchen in
einem Aufzug. Ich nutze schon 11 Prozent meines geistigen Potentials:
...
Da es nie Kohle gab, meldete ich mich beim "Director of
Communications", einer überarbeitet aussehenden Frau, um
Einstein-Flyers auszutragen.1
Ich bewunderte sie: Sie bekam nie Auditing, sie war Tag und Nacht in
der Org, wie schaffte sie das nur? Ich sah sie allerdings auch nie
lachen oder in glücklichem Zustand.2 Für 1000 ausgetragene Flyer gab's, glaube ich, 10 Mark. Ich nahm
gleich 2000 Stück mit. Schon mal 2000 Stück ausgetragen? Und das in
den freien Stunden? Ich schon! Zumindest eine Stunde lang, dann
dachte ich, "die spinnen ja, da brauch ich doch endlos lange",
also steckte ich in jeden Briefkasten gleich fünf Flugblätter oder
mehr hinein, aber selbst das dauerte immer noch endlos. Also warf ich
die restlichen Flugblätter in eine Mülltonne. Ich hatte auch eine
brauchbare Rechtfertigung parat: "Da die Flyers sowieso
weggeworfen werden, kann das genauso gut ich erledigen." Doch
danach bekam ich enorme Schuldgefühle. Ich fühlte mich wie ein
Verräter. Nur einfallsreiche Rechtfertigungen, wie "Wenn ich
mal mehr Geld habe, werde ich das alles wieder gut machen"
konnten mich einigermaßen beruhigen. Das nächste Mal trug ich die
Flugblätter gewissenhaft aus. Das hielt ich etwa eine Stunde lang
durch, dann steckte ich wieder fünf oder mehr Flyers in jeden
Briefkasten. Doch den großen Rest schaffte ich nicht mehr. Ich nahm
mir vor, ihn ein andermal zu verteilen, trug ihn nach Hause und
machte mir ein paar schöne Stunden. Meine hochkommenden
Schuldgefühle verdrängte ich mit der Rechtfertigung: "Das
nächste Mal trage ich doppelt so viele Flyers doppelt so schnell
aus." Damit konnte ich leben. Vorläufig. Doch auch das nächste
Mal schaffte ich es nicht. Und auch die Male danach nicht. Nach
einiger Zeit hatten sich so viele Flyer auf dem Speicher des Hauses
einer Bekannten (auf dem ich für 100 DM pro Monat schlafen durfte)
angehäuft, dass ich für das Verteilen wahrscheinlich viele Wochen
gebraucht hätte. Frustriert bis apathisch trug ich danach überhaupt
keine Flyers mehr aus, sondern sammelte sie auf dem Speicher, während
ich fleißig jede Woche die 20 Märker kassierte. Da aber damals die
Dianetik-Bücher fast jeden Monat teurer wurden, hatte ich bald Berge
von Flugblättern, die veraltet waren. Jetzt hatte ich die
Rechtfertigung, sie nicht mehr austragen zu dürfen. Welch halb
befreites Aufatmen! Auf dem Dachboden, neben meinem Bett war viel
Platz, dort türmten sich die Tausenderstapel der veralteten
Dianetik-Handzettel. (Und als ich nach einem halben Jahr oder so auch
von dort ausziehen musste, weil ich viele Mieten im Rückstand war,
hinterließ ich riesige Stapel von Dianetik-Promo, die inzwischen wie
die Skyline von Manhattan aussahen, bedruckt mit dem ins Auge
springenden Slogan: "Wir verwenden nur 10 Prozent unseres
geistigen Potentials." Wie wahr! Ich war das beste Beispiel
dafür! Aus heutiger Sicht würde allerdings sagen, dass ich damals
mindestens schon 11 Prozent verwendet hatte, indem ich die
Flugblätter nicht austrug, aber das Geld kassierte.)
...
Seit ich Scientology völlig aufgearbeitet, also Scientology voll und ganz exorziert habe, also ein "Scientology-Clear®" bin , kann ich behaupten, dass ich jetzt schon 20 Prozent meines geistigen Potentials verwende. Kleiner Joke als Abschluss.
1 Diese Aktion wurde eingeführt, um die Buchverkaufsstatistiken nach
oben zu treiben. Nach ein paar Monaten wurde sie wieder abgeschafft.
Der "Einstein-Flyer" wirbt für das Buch Dianetik:
Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit.
Er heißt Einstein-Flyer, weil er angeblich Albert Einstein zitiert:
"Wir nutzen nur 10 Prozent unseres geistigen Potentials."
Mit Dianetik- und Scientology-Techniken könne man die restlichen 90
Prozent erlangen. Doch weder hat Einstein dies gesagt, noch stimmt
diese These. Siehe Wikipedia, Zehn-Prozent-Mythos.
2 Ein Jahr später wurde sie zu einer Unterdrückerischen Person (SP, Schwerverbrecher) erklärt und ausgeschlossen. Auf dem Schwarzen Brett konnte man über ihre vielen "Verbrechen" lesen.
2 Ein Jahr später wurde sie zu einer Unterdrückerischen Person (SP, Schwerverbrecher) erklärt und ausgeschlossen. Auf dem Schwarzen Brett konnte man über ihre vielen "Verbrechen" lesen.
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