Alle
Welt ist geprägt von Negativem, Angstlevel ist die Basisemotion.
Deshalb bin ich für positives Denken. Also wirklich positives
Denken. Also keinen Spielraum für negative Gedanken zulassen.
Und
so komme ich auch zum Datenschutz. Wer braucht denn schon
Datenschutz? Ist er nicht aus negativen Gedanken entsprungen?
Daher
bin ich für die Preisgabe aller persönlichen Daten. Wer hat schon
was zu verbergen? Nur derjenige, der negativ denkt. Am Besten geht
jetzt die Preisgabe aller Daten mit den Smartphones und den Tausenden
von Apps. Selbstvermessung bis ins Kleinste, bis hin zu Blutdruck,
Pulsfrequenz, Essgewohnheiten, Krankheitssymptome, Schlafstörungen
etc. Toll! Und dann öffentlich zugänglich machen, via Facebook und
Twitter und ähnlichen Social Network Riesen. Recht so! Auf diese
Weise ersparen wir der NSA (no such agency)
Milliarden. So können sie sich besser darauf konzentrieren, die
gigantischen Datenmassen einzuordnen in Auskunftsmodule: E-Mails,
Internet-Accounts, Google-Analytics, Quantified-Self-Angaben,
Gesichter können durch rasche Zusammenführung von Datensträngen
schneller und mit Querverweisen ausgewertet werden. Das spart
komplizierte Algorithmen. Wir erhalten auf diese Weise ein digitales
Panoptikum. Der einzige Unterschied zum ursprünglichen Panopticon
(erfunden im 18. Jahrhundert, um Häftlinge durch wenige Wärter in
kreisförmig angeordneten offenen Zellen rund um die Uhr zu
überwachen) ist der, dass die digitale Version zusätzlich Spiegel
an allen Seiten hat, sodass der Mensch von jeder Seite her beleuchtet
wird. Doch das Ziel, nämlich "Full Take", also als
gläserner Mensch predictable zu werden, ist meiner, auf positiven
Gedanken basierenden Meinung nach, noch lange nicht erreicht. Was
noch fehlt, ist die Ausleuchtung und Quantifizierung von innen her,
die Offenlegung der Geheimnisse, der Zurückhaltungen eines Menschen,
das Innerste des Inneren eines Menschen nach außen kehren. Da hätte
ich einen gigantisch-positiven Gedanken. Da ja bekanntlich
Therapieakten (noch) vertraulich und damit nicht zugänglich sind,
empfehle ich die Durchleuchtungsmethoden der "Scientology-Religion".
Die hat ein speziell ausgeklügeltes System, um das Innerste eines
Menschen mit rasterfahndungsähnlichen Techniken zu durchforsten. Sie
glauben gar nicht, was da so alles an Gedanken und Gefühlen
herumliegt, in Form von Klein- und Großkram. Und in den entlegensten
Winkeln. Um sie zu entdecken, entwickelte der hochgeschätzte
Menschenfreund Dr. Lafayette Ron Hubbard die
strategisch-kybernetische Rasterfahndung am E-Meter, dem
"Lügendetektor" der "Scientology-Kirche". Obwohl
diese "Kirche" im Organigramm "Organisation"
("Org") genannt wird, die Ableger als Organisationen
("Orgs") mit Abteilungen samt Zwecken aufgelistet werden,
wollen wir als positiv denkende Menschen akzeptieren, dass diese
wirtschaftlich operierenden Organisationen "Kirchen" sind.
Zur
Rasterfahndung des Inneren: das erreichen die Techniken der "Grade".
Nach anfänglichen Verfahren, die süchtig machen - es ist nichts
Schlechtes, nach etwas Gutem süchtig zu sein -, und nach etlichen
komplexen behavioralen Modifikationen am Menschen, damit er sich als
positiv denkender Mensch besser erinnern kann und auch durchleuchten
lässt, beginnt die Rasterfahndung.
Grad
0: etwa 30 bis 40 Stunden werden alle Probleme mit dem anderen
Geschlecht, mit den Eltern, mit den Kollegen in der Arbeit, mit den
diversen Vorgesetzten durchleuchtet, minutiös protokolliert und mit
Registern versehen, damit man schnell z.B. Schwachstellen (Sex, Geld)
finden kann.
Grad 1 (30 bis 40 Stunden): Probleme und ihre
Ursachen werden aufgespürt. Wieder minutiös geführte Protokolle mit Registern.
Grad 2, der Grad der Zurückhaltungen,
der Geheimnisse. Er dauert am längsten. Er hat auch den berühmten
Johannesburg Sec Check, mit Fragen wie: Hatten Sie Sex mit
Verwandten, mit Gleichgeschlechtlichen etc. Dieser Sec Check alleine
dauert oft 20 bis 30 Stunden. Dann folgen
die Rasterfahndungen, also wann und wo Heimlichkeiten und
Zurückhaltungen erfolgten, wer davon wissen könnte etc. Bald haben
wir zusätzlich zum durchleuchteten Inneren auch ein Abbild des
Umfelds des Menschen. Und das waren erst 3 Grade...
Also:
Weiterhin brav alle Daten per Knopfdruck vom Smartphone an Server,
Clouds etc. weitergeben, damit Sie als Person schön brav gläsern
und gläserner werden, am Besten noch ein paar Selfies dazu, fertig
ist das Paket. Als positiv denkender Mensch sollten Sie nun noch
schnellstens zur nächsten Scientology-Kirche pilgern, um sich in
Schulden zu stürzen und Ihr Innerstes nach außen kehren zu lassen,
damit die NSA Sie von allen sieben Seiten erfassen kann, und Sie samt
Ihrem Umfeld predictable sind. Gut so.
Das
schien mir jetzt alles ein bisschen zu Scientology-lastig, deshalb
möchte ich schnell und abschließend sagen, Scientology geht mir
sowas von am Anus vorbei, dass es „vorbeier“ gar nicht geht.
Daher
muss ich jetzt schnell etwas Film-Kritik anbringen. Sorry, aber hier
hört das positive Denken auf, denn mein Geschmack wurde wieder mal empfindlich
gestört.
Also,
es geht um Raid 2 (Spoiler Alert), von Kritikern hochgelobt
wegen der "einfühlsamen" Szenen zwischen den äußerst
brutalen Action-Szenen. Während der Vorgänger The Raid noch
ohne viel Plot daherkam, jedoch mit so sensationell gefilmten
Aktionszenen der indonesischen Silat-Kampfkunst, dass es einem den
Atem verschlug, wollte Regisseur Gareth Evans mit Raid 2 näher
auf die Personen eingehen. Gut so! dachte ich im Vorfeld, wurde aber
dann enttäuscht. Das Action-Genre arbeitet nach strengen Beats, die,
wenn verletzt, den Film episodisch machen. Zum Actionfilm gehört
auch ein dichtes Charaktergewebe, damit die Figuren nicht leer sind.
Und Evans hat keine Ahnung vom Action-Genre, hat keine Ahnung vom
Charaktergewebe. Das einzig gut funktionierende character web ist das
zwischen dem Sohn des Bosses und Rama. Yayan Ruhian, der Killer
namens Mad Dog aus Raid stirbt dort. In Raid 2 ist er
wieder da: als Prakoso, einem Killer erster Güte. Ist für mich
verwirrend. Um ihn gefühlsmäßig einzuführen, zeigt ihn Evans mit
seiner schönen Frau in einem Cafe, die von ihm getrennt lebt, ein
Kind mit ihm hat, das er sehen will, sein Geld zwar nimmt, aber ihm
ein Treffen mit seinem Söhnchen verbietet. Soll meine Emotionen
wecken, tut es aber nicht. Dann sieht man Prakoso in einer Disko, wie
er ein Medaillon mit dem Foto seines Söhnchens anschaut, danach
kommen wahre Heerscharen von Schlägern, die er alle fertigmacht, bis
er schließlich draußen, vor der Disko, vom Yakuza Killer getötet
wird. Bis auf die Action ließ mich alles kalt. Wirkte sogar störend,
die Szene mit Yayans schöner Frau. Möglicherweise schreibt deshalb
auch Variety: "Sobald das Blutbad einsetzt, erweisen sich Evan's
Fähigkeiten als so robust und hyperkinetische wie eh und je..."
Mir
wurde eben langweilig. Mehr morgen, mein Kaffee mit Latte ist nämlich
alle.