Gestern sah ich auf ORF1 die Two and a Half Men-Episode mit Ashton Kutcher (Staffel 9, Ep. 17, Nicht in meinen Mund!), in der andauernd gekotzt wird, am Schluss sogar so exzessiv in seinem mit Leder und Mahagoni ausgestatteten Jet, dass sich Ashton einen neuen Flieger kaufen musste.
Diese Episode erinnerte mich daran, dass ich versprach, einen weitere Leseprobe aus dem Quantenf**k-Roman Kaffee mit Latte zu bringen. Hier ist sie:
Vorgeschichte:
Rom, 1968.
Andre ist zum ersten Mal verliebt. Er ist erst 19, er wohnt erst kurz bei seiner ersten Freundin Lucia, in Trastevere.
Da er aber nicht weiß, was Frauen wirklich wollen - vor Lucia ist er Jungfrau mit Tagträumen von schönem ersten Sex gewesen - ist der Mißerfolg quasi vorausprogrammiert.
...
Lucia!
Zuerst
war alles neu, es war meine erste Beziehung, und ich war verliebt,
nicht nur in sie, auch in ihre Dachwohnung in Trastevere mit dem
herrlichen Ausblick auf den Petersdom, der aus dem rostbraunen
Dächermeer wie eine helle Insel herausragte, vor der breiten Kulisse
dunkelgrüner Baumwipfel der Villa Borghese in der Ferne. Anfangs
konnte ich diesen Ausblick noch genießen, der mich stets aufs Neue
an Michelangelos teils prachtvolle, teils düstere Schöpferzeiten
erinnerte, während im krassen Gegensatz dazu von der Straße her der
neuzeitliche italienische Lebensrhythmus hochdrang, eine
Geräuschkulisse aus Musik, Hupen, Schreien und dem sporadischen
Singen einiger verhinderter Opernsänger. Und der ständig blaue
Himmel verlieh jedem Tag eine gewisse Urlaubsstimmung, in der meine
Angst vor der Gewalttätigkeit des Lebens zu pausieren schien.
Doch
inzwischen hatte sich alles verändert. Nicht nur Lucia, auch der
Ausblick auf den Petersdom, alles wirkte plötzlich feindlich.
Seit
vier Wochen gab's nämlich keine Statistenjobs mehr, seit vier Wochen
waren wir täglich beisammen, klebten förmlich an einander. Langsam
kamen unsere wahren Seiten zum Vorschein: Lucia wirkte täglich
fordernder, sie erwartete einen wirklichen Mann, einen Macher, einen
Mann mit Filmconnections, der sie förderte. Und ich? Ich wurde immer
weicher, anhänglicher, ängstlicher. Und wenn sie mal mit anderen
Männern sprach, wurde ich extrem eifersüchtig. Zudem schien ihr
sexuelles Interesse an mir zu schwinden, während meines an ihr immer
stärker wurde.
Doch
wie groß unsere Gegensätze inzwischen wirklich waren, musste ich
schmerzlich erfahren, als mir Lucia aus heiterem Himmel mitteilte,
dass sie am kommenden Samstag alleine auf die Party eines
Filmproduzenten gehen wollte. Meine Welt brach zusammen,
Minderwertigkeitskomplexe und Existenzängste waren schlagartig
Sieger über mich. Als sie sah, wie sehr sie mich getroffen hatte,
änderte sie ihre Meinung. Aus Mitleid! Ich schämte mich in Grund
und Boden. Unsere Distanz wurde noch größer, die ich nur
kompensieren konnte, indem ich vom Samstag und dem Filmproduzenten
träumte, und hoffte, endlich entdeckt zu werden.
Dann
endlich war jener Samstag gekommen. Nach Tagen des Wartens und
Hoffens und Träumens konnte ich meine Aufregung nur dadurch
überwinden, dass ich öfters im Cafe vis-a-vis Wein trank. Ich
wollte ganz cool sein, wenn ich dem Produzenten gegenüberstand. Am
frühen Abend brachen wir dann endlich auf, wir fuhren nach Süden,
Richtung Neapel. Nach einer Stunde, die von auffallendem Schweigen
geprägt war, kamen wir auf eine Straße, die zur Küste führte.
Hinter einer Biegung lag urplötzlich unter uns eine malerische
Bucht, wie hingezaubert, so dass wir Halt machten und unsere Augen
nicht mehr davon loslösen konnten: Ein tiefblaues Meer, in der Ferne
der mächtige Vesuv, von der untergehenden Sonne malerisch in Orange
bis Blutrot getaucht.
"Wir
sind da, da unten ist seine Villa."
Wenig
später waren wir am Ziel. Wir hielten vor einer weißen Prunkvilla
inmitten von Palmen.
Die
Party war schon im Gang, wir hörten Musik und das stete Auf und Ab
von Stimmen, unterbrochen von hellem Lachen. Ich war entsetzlich
aufgeregt, ein Gedanke quälte mich: Wie sollte ich dem großen
Produzenten entgegentreten? Wir gingen hinein, es roch nach tollen
Speisen und edlen Parfums. Viele braungebrannte Leute standen locker
in Gruppen herum und unterhielten sich. Sie wirkten alle sehr
selbstsicher und wohlhabend, sie waren die Reichen, zu denen ich
gehören wollte. Ich tat so, als ob ich auch genug Geld hätte. Wir
gingen zuerst zum Buffet, belegten unsere Teller und mischten uns
dann unter die Leute. Lucia hatte da keine Probleme, jeder dritte,
vierte kannte sie. Mir gefiel das überhaupt nicht, denn ich kannte
niemanden. Oder fast niemanden. Denn als ich einige Schauspieler von
meinen letzten beiden Filmen sah, da war es aus mit meiner falschen
Selbstsicherheit, da schämte ich mich urplötzlich meiner
Komparsentätigkeit.
Bald
hatte ich Lucia aus den Augen verloren, ich ging abermals zum Buffet,
mehr aus Verlegenheit denn aus Hunger, und nahm mir Krabbenfleisch
und Reis mit Seefrüchten. Dazu trank ich köstlichen alten Barolo.
Der
Wein riss mich aus den Minderwertigkeitsgefühlen, Körperlust und
Ausgelassenheit kamen hoch. Auf der Suche nach dem Produzenten
stellte ich mich öfters zu Gruppen dazu, wurde aber meist von den
Gesprächen ausgeschlossen, indem man mich einfach ignorierte. Aber
so erfuhr ich wenigstens, dass der Produzent noch nicht da war. Er
war angeblich noch bei Besprechungen für seinen nächsten Film.
Ich
begann die Leute zu beobachten. Und mir fiel auf, dass einige gar
nicht so selbstsicher waren, und dass viele irgendetwas "hinhielten",
entweder ihre Bräune, oder ihren Schmuck, oder ihr Gesicht, oder
gleich ihren ganzen Körper.
Ich
sah mich nach Lucia um, suchte sie in den diversen Etagen, die alle
durch gewundene Marmorstufen miteinander verbunden waren. Denn
richtige Türen gab's in diesem Haus fast keine, außer zu den
Toiletten und Badezimmern. Immer wieder landete ich auf irgendeinem
Balkon mit phantastischem Ausblick auf die pittoreske Bucht mit den
vielen beleuchteten Villen und dem am Horizont dunkel thronenden
Vesuv.
Und
dann sah ich Lucia, sie sprach mit einem jungen Mann, er hatte
schönes schwarzes Haar, ein markantes Gesicht mit leuchtenden Augen
und vollen Lippen, er strahlte Erfolg aus. Die beiden lachten öfters.
Ich fühlte mich plötzlich sehr klein und ausgeschlossen. Ich trank
weiter Barolo, um darüber hinweg zu kommen.
Ich
stellte mich zu einer lachenden Gruppe, allerdings bekam ich nicht
mehr mit, worüber sie eben lachten. Der Erzähler war offenbar ein
Schauspieler, der von seinen diversen Misserfolgen zu erzählen
schien, was alle sehr amüsant fanden. Besonders ein hagerer
weißhaariger Mittfünfziger explodierte öfters mit harter Lache,
was wiederum ich lustig fand und darüber ausgiebigst lachte, worauf
mich alle anblickten. Der Schauspieler erzählte eine andere
Geschichte, die ich fast nicht verstand, wieder lachten alle, wieder
lachte der Weißhaarige sehr trocken, wieder lachte ich über ihn,
wieder blickten mich alle an. So ging das ein paar Mal, bis mich
schließlich der Schauspieler fragte: "Und wer sind Sie?"
"Ich
bin auch Schauspieler!" sagte ich.
"Dann
verstehen Sie ja meine Probleme!" erwiderte er.
"Voll
und ganz, denn ich hab noch viel größere!" Und schon wollte
ich von meinen Problemen erzählen, doch der Weißhaarige fiel mir
ins Wort und sagte: "Wir sind alle im gleichen Boot!" Ich
konterte: "Das stimmt nicht ganz: Sie sind alle im gleichen
Boot, aber ich schwimme!"
Wieder
platzte der Weißhaarige vor Lachen, in das auch die anderen
einstimmten. Jetzt amüsierten sich wirklich alle über meinen
Wortwitz.
Ich
ging zum Buffet und freute mich über den tollen Abgang, irgendwie
fühlte ich mich jetzt akzeptiert. Ich sah mich wieder nach Lucia um,
konnte sie aber nirgends entdecken. Dafür stach mir eine
dreißigjährige attraktive Frau ins Auge, die mich anlächelte. Ich
war inzwischen schon ziemlich über den Dingen, ich ging auf sie zu,
stark und männlich, jetzt konnte ich Lucia eins auswischen! Wenn sie
flirtete, dann konnte ich das auch.
Die
Frau saß auf einer Lederbank, ich setzte mich unaufgefordert neben
sie, sie lächelte mich an, ich lächelte zurück, sie reichte mir
ein halbvolles Cognacglas, ich fühlte mich sehr geehrt und nahm es
an, ihr Bein berührte meines, ich zuckte kurz zurück, sie erhöhte
den Druck und sagte: "So treffen wir uns wieder!"
Ich
wusste nicht, wie dies gemeint war, ob's eine Verwechslung war, eine
neuartige Anmache oder nur der Alkohol.
"So
treffen wir uns also wieder!" sagte auch ich, was hätte ich
denn sonst sagen sollen? Die Frau lachte. Ich spürte ihre offene
Weiblichkeit. Ich sah die Falten um ihren Mund, fand ihr Gesicht sehr
sympathisch und fragte mich, wie sie wohl im Bett war. Ganz leicht
legte ich meine Hand auf ihren Schenkel. Dass es bei dieser Frau so
locker ging, erstaunte und verwirrte mich zugleich. Wo war der Haken?
"He,
du willst doch nicht etwa meine Frau anmachen?" sagte jemand
hinter mir. Das also war der Haken. Ich erschrak, und mich umdrehend,
hielt ich meine Hände schützend vors Gesicht, um Schläge
abzuwehren. Der hagere Weißhaarige von vorhin stand vor mir. Ein
paar Leute lachten.
"Hat
er dich belästigt?" fragte er die Frau. Er blickte streng. Ich
hatte nicht nur Angst vor Schlägen, ich empfand auch eine tiefe
Scham, weil viele Gäste mich anstarrten und meine unmännliche Angst
sehen konnten.
Ich
musste ziemlich dumm geschaut haben, denn der Weißhaarige lachte
wieder sein kurzes trockenes Lachen, in das auch die Frau einstimmte.
Diesmal konnte ich nicht lachen, denn mir wurde plötzlich klar, dass
die beiden nur ein Spiel mit mir gespielt hatten. Ihr Lachen traf
mich tief, das schallende Gelächter der anderen gab mir den Rest.
Ich stand auf und ging auf unsicheren Beinen auf den Balkon. Am
liebsten hätte ich die Party verlassen. Ich wollte nichts mehr mit
den Menschen hinter mir zu tun haben. Ich merkte erst jetzt, dass ich
das Cognacglas immer noch in der Hand hielt. Ich leerte es, lehnte
mich auf die Brüstung und versuchte, das letzte Geschehnis zu
verarbeiten. Was war da überhaupt geschehen?
Plötzlich
spürte ich im Magen ein unangenehmes Druckgefühl. Ich dachte mir,
bleib ganz ruhig, es vergeht wieder! Es verging aber nicht, in Wellen
kam es, immer stärker wurde es. Mit einem Mal fiel mir auf, dass mir
total schlecht war. Langsam richtete ich mich auf und sah mich
automatisch nach einer Kotzgelegenheit um, aber überall nur weißer
Marmor oder teure Teppiche, wo war doch gleich die nächste Toilette?
Ein neuerlicher Druck in meinem Magen ließ meinen Blick fieberhaft
umherirren: Ich suchte Eimer, Papierkörbe oder Toilettentüren, aber
ich sah nur Obstschalen, Snackteller und Handtaschen. Es war fast
nicht mehr auszuhalten. Gab es denn nirgends Abfalleimer? Langsam
ging ich durch den menschenüberfüllten Raum, ganz langsam, um ja
nicht den Magen durch eine Erschütterung zu überreizen. Aber dann
war es schon zu spät: Mein Magen explodierte, eine dicke rote
Fontäne schoss aus meinem Mund, mitten unter die Leute. Es war
unglaublich befreiend. Immer wieder explodierte ich. Bruchstückhaft
sah ich Leute vor mir flüchten, sah ich meine rote Kotze auf dem
weißen Marmorboden, mit dem hellen Reis dazwischen. Sah ich
erschrockene Gesichter, die auf ihre angekotzten Anzüge oder Kleider
hinunterblickten. Sah ich fassungslose Blicke. Hörte ich die ersten
Schimpfkanonaden. Dann wachte ich neben der Klomuschel auf, ich hing
halb an ihr, halb in ihr, der Rest meines Körpers lag irgendwie
seitlich von mir weggestreckt. Ich starrte in die rote Kotze in der
Klomuschel und wusste nicht mehr genau, was ich hier suchte. Dann
stand der Weißhaarige neben mir, in der Hand ein Glas sprudelndes
Selters.
"Ist
der Produzent schon hier?" wollte ich laut und lallend wissen.
Deswegen war ich ja hier, erinnerte ich mich.
...
Fortsetzung in Kaffee mit Latte - Der Quantenf**k-Roman
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